WIT: Hallo, Josefine, bitte erzähle uns doch einmal kurz von dir persönlich.
Josefine: Ich bin Josefine, bin 29 Jahre alt und erlebe gerade meine besten Jahre vor der 30 im Corona-Lockdown. Anfangs dachte ich noch, dass diese Zwangs-Entschleunigung herrlich ist und ich selbstverständlich 24/7 mit meinen 3 Geschwistern bei meinen Eltern Zuhause abhängen darf, aber mittlerweile befällt mich eher das Gefühl, dass ich unfreiwillig und unbemerkt in meinen Verhaltensmustern 10 Jahre gealtert bin.
WIT: Was machst du beruflich?
Josefine: Ich arbeite für den think and do tank Neuland21, der sich für das Landleben im 21. Jahrhundert einsetzt. Wir nutzen die Digitalisierung, um soziale Innovation und mehr Lebensqualität im ländlichen Raum zu schaffen. Als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Open Government Team, bin ich bei Neuland21 verantwortlich für das Thema Digitale Bildung.
WIT: Wie bist du dazu gekommen, einen technischen Beruf zu wählen?
Josefine: Eigentlich bin ich studierte Medien- und Kommunikationsmanagerin und habe nach meinem Studium in Köln auch längere Zeit in diesem Berufsfeld gearbeitet und zwar als Managerin im Digitalen Produktmarketing bei Media Impact, einem Tochterunternehmen der Axel Springer SE. Dort habe ich neue digitale Anzeigenplätze für Werbekunden geschaffen und die Performance dieser optimiert. Als Mitarbeiterin im Marketing, habe ich die Produkte natürlich aus Kunden- und Marktsicht entwickelt und diese dann zur Umsetzung an das Techi-Team gegeben. Ab und zu gab es dann bei der Umsetzung meiner Produkte doch Einwände aus dem Techi-Team und meine Versuche zu diskutieren wurden meist schnell mit technischen Argumenten, die für mich Fremdsprache waren, im Keime erloschen. Dies ermutigte mich 2019 dann dazu meinem Interesse an der Informatik nachzugehen und ich kündigte meinen Job, reiste nach Tel Aviv und nahm an dem neunwöchigen Fullstack Coding Bootcamp von Le Wagon teil.
WIT: Wer oder was hat dich am meisten inspiriert, einen technischen Beruf zu wählen?
Josefine: Am meisten inspiriert einen technischen Beruf zu wählen, hat mich das kryptische, futuristische und zukunftssichere am Programmieren. Natürlich ist Programmieren, nach dem man den Syntax einmal verstanden hat, nicht mehr ganz so kryptisch und futuristisch, aber ich bin nach wie vor davon überzeugt, dass es zukunftssicher ist und bleibt. Auch wenn es irgendwann Systeme geben wird, die das Programmieren in Gewisser Art und Weise übernehmen werden, wird es immer Fachkräfte geben müssen, die diese Systeme entwickeln und auch überwachen.
Getriggert hat mich natürlich ebenfalls der Fakt, dass ich als Frau in eine “Männerdomäne” reingehe und ich dort Möglichkeiten haben werde etwas zu verändern.
WIT: Hat dich Technologie und/oder Programmieren schon immer interessiert?
Josefine: Ehrlich gesagt jein. Technologie hat mich schon immer auf eine Art begeistert, dass ich immer das neuest vom neuen haben wollte und Softwareupdates und neue Betriebssysteme spannend fand. Aber meine “Technische Grundlagen des Internets”-Kurs in der Uni fand ich damals zum einschlafen und zu “nerdig”. Auch Informatik-Unterricht in der Schule fand ich nur cool, weil wir in den Computerraum durften und ich Solitär spielen konnte. Alles andere hat mich früher nicht die Bohne interessiert.
WIT: Haben deine Eltern und Lehrer deine Vorliebe und dein Interesse für Computer gefördert?
Josefine: Meine Eltern sind beide weder Techis, noch in ihren Jobs besonders digital unterwegs. Jedoch haben sie mich immer in meiner Ausbildung und Jobfindung unterstützt und sind stets an meinen Themen interessiert, auch wenn sie meist nur oberflächlich verstehen, worum es geht. Alles in allem denke ich aber, dass sie stolz auf meinen Werdegang sind.
WIT: Was gefällt dir an deiner Tätigkeit am meisten?
Josefine: Bei meiner Arbeit im ländlichen Raum mit den Kinder und Jugendlichen wird mir immer wieder bewusst, wie niederschwellig Programmieren doch ist und wie viel Freude es bereiten kann. Ich bin immer wieder total begeistert, wie schnell Kinder und Jugendliche lernen und wie intuitiv sie mit dem Computer umgehen.
Der Austausch mit Menschen in einer ähnlichen Tätigkeit wie meiner inspiriert mich immer wieder und ich bin begeistert von den vielen Initiativen, die es Kindern und Jugendlichen ermöglicht sich mit technischen Themen auseinanderzusetzen und technisches Know-How zu erlangen. Es gibt mir eine unglaubliche Befriedigung zu wissen, dass ich mit meiner Tätigkeit nachhaltig positiven Einfluss nehme und meine Begeisterung für Tech Themen nicht nur an die Teilnehmer meiner CoderDojos weitergeben kann, sondern auch meine Kollegen und meine Freunde mit in den Bann technischer Themen ziehen kann.
WIT: Was ist für dich das Schönste an deinem Arbeitsalltag?
Josefine: Meine Tätigkeit hat einen Neuigkeitscharakter für den ländlichen Raum und es gibt wenige vergleichbare Angebote, was immer wieder dazu führt, dass Menschen und andere Kommunen von unserer Arbeit begeistert sind und Interesse an einer Umsetzung in ihrer Kommune bekunden. Der Pioneercharakter und die Weiterentwicklungsmöglichkeiten sind für mich das spannendste an meiner Arbeit. Selber gestalten zu können und Menschen von Technologie zu begeistern.
WIT: Wo findet man dich in der Freizeit am ehesten?
Josefine: In meiner Freizeit findet man mich am ehesten draußen. Ich wohne in Berlin Mitte und finde es herrlich am Wochenende mit meinem Rennrad Ausflüge aufs “Land” zu unternehmen. Mit 30 km/h an den Feldern lang zu heitzen gibt mit ein unglaubliches Gefühl von Freiheit und Weite, dass ich unter der Woche im Homeoffice in Berlin Mitte sehr vermisse. Sobald der Lockdown vorbei ist findet man mich sicherlich auch in Cafés und an der Bar.
WIT: Welche Botschaft möchtest du Frauen oder Mädchen mitgeben, die sich für Technik interessieren?
Josefine: Ich möchte das Bild von “Technik ist etwas für Nerds” und “Techis sehen nie das Tageslicht” aufbrechen und zeigen, dass man Informatik nicht als kleines Kind im Keller gelernt haben muss, sondern auch durch Weiterbildung und als “lateadopter” Programmieren lernen kann.
Der Job als Developerin ist wahnsinnig gut mit einem Familienleben vereinbar und es fehlt an vielen Stellen in der Tech-Branche an weiblichen Einflüssen. Codes wurden bislang vermehrt von Männern geschrieben und entwickelt. Das gilt es aufzubrechen und Codes diverser zu machen.
WIT: Welchen Ratschlag verfolgst du bis heute?
Josefine: Man lernt nie aus.
WIT: Frauen in technischen Berufen sind ja leider noch eine Minderheit. Was sind deine Gedanken mit diesem Thema?
Josefine: Ich möchte Mädchen und Frauen dazu ermutigen in technische Berufe zu gehen und zu einem Studium oder einer Ausbildung im IT Bereich ermutigen. Ich bin mir aber noch nicht ganz sicher, wie ich das am besten und am nachhaltigsten hinbekomme. Daran arbeite ich gerade noch.
WIT: Was verbindet dich mit Frauen in der Technik?
Josefine: Ich denke uns alle verbindet, dass wir Frauen in der Technik sind. Wir sind noch unterrepräsentiert und müssen uns gegenseitig ermutigen diesen Weg einzuschlagen und uns vernetzen. Wir sollten als Rolemodels für Jüngere auftreten und auch Männer in der Technik davon überzeugen, dass wir was auf dem Kasten haben.
WIT: Wohin möchtest du dich zeitnah beruflich und persönlich weiter entwickeln?
Josefine: Ich möchte mich noch intensiver mit Informatik auseinandersetzen und strebe daher einen Masterstudium im Informatikbereich an. Ich möchte mich noch stärker als Rolemodel positionieren und mich noch stärker mit anderen Frauen in der Tech-Welt vernetzen.
WIT: Wer sind deine persönlichen oder beruflichen Role Models?
Josefine: Meine Mutter, Verena Pausder, Anke Domscheit-Berg, Steve Jobs.
Vielen Dank für das Interview, Josefine!
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