Interview mit Julia Menzel, Informatik-Studentin

WIT: Hallo, Julia, bitte erzähle uns doch einmal kurz von dir persönlich.
Julia: Ich bin 31 Jahre alt, komme ursprünglich aus NRW, lebe aber seit einigen Jahren in Esslingen am Neckar. In meiner Freizeit reise ich leidenschaftlich gern, immer unter dem Motto “je weiter weg, desto besser”. Ich liebe dabei den Einblick in fremde Kulturen und verbinde dies mit meinem zweiten großen Hobby, das Fotografieren. Menschen, Tiere und Emotionen in einem Bild festzuhalten macht mich glücklich!

WIT: Was machst du beruflich?
Julia: Zurzeit bin ich noch Informatik-Studentin an der Hochschule Reutlingen. Vor kurzem habe ich meine Masterarbeit in einem mittelständischen, sehr innovativ denkenden Unternehmen begonnen. Dabei befasse ich mich mit der Umsetzung von Machine Learning “on the Edge” und der kontinuierlichen Modell-Bereitstellung mithilfe von MLOps.

WIT: Wie bist du dazu gekommen, einen technischen Beruf zu wählen?
Julia: Mein Weg bis zur Informatik war lang. Anfangs habe ich überhaupt keine Berührungspunkte zur IT gehabt. Ich habe eine Berufsausbildung als Automobilkauffrau absolviert und weitere drei Jahre in dem Beruf gearbeitet, bis ich mir selbst die Frage gestellt habe: “Ist das der Beruf, den ich die nächsten 40 Jahre machen möchte?”. Nachdem ich diese Frage gedanklich klar mit “Nein” beantwortet habe, habe ich also im Alter von 25 Jahren meinen Job gekündigt, meine Wohnung aufgegeben, bin in eine WG gezogen und habe einen technisch-kaufmännisches Studium in Esslingen angefangen. Die Informatik war auch dann noch nicht in Sicht. Erst durch ein IoT-Projekt im Praxissemester habe ich meine Leidenschaft zu Daten entdeckt. Die Erkenntnisse, die wir damals aus den generierten Daten sammeln konnten und welchen Einfluss diese auf andere Bereiche gehabt haben, hat mich fasziniert. Dies hat mich damals beflügelt meinen Weg in die Informatik zu gehen.

WIT: Wer oder was hat dich am meisten inspiriert, einen technischen Beruf zu wählen?
Julia: Es gibt zwei Personen, die mich in meinem Leben sehr geprägt haben. Während meiner damaligen Tätigkeit vor dem Studium hatte ich einen Kollegen, der sehr viel Potenzial in mir sah und mich darin bestärkt hat mehr aus mir zu machen. Ich bin ihm sehr dankbar dafür! Die zweite Person war ein Kollege in meinem Praxissemester. Er hat mich zu jederzeit fachlich und persönlich unterstützt. Er ist bis heute mein Mentor und hilft mir meine Karriereziele zu erreichen.

WIT: Haben deine Eltern und Lehrer deine Vorliebe und dein Interesse für Computer gefördert?
Julia: Ich komme aus einer Arbeiterfamilie, daher hatten weder meine Eltern, noch meine Geschwister Berührungspunkte zur Technik oder Informatik. Das Studieren ist erst mit meinen jüngeren Cousinen und Cousins “Trend” geworden. Meine Familie war sehr verwundert darüber, dass ich mich mit Mitte 20 beruflich neu orientieren möchte. Insbesondere meine Eltern haben mich aber zu jeder Zeit, wenn auch mit Sorge, darin bestärkt und unterstützt.

WIT: Was gefällt dir an deiner Tätigkeit am meisten?
Julia: Das Einsetzen von künstlichen Intelligenzen steckt noch in den Kinderschuhen. Wir können uns nicht vorstellen, was mit dieser Technologie irgendwann möglich ist und genau das macht meine Tätigkeit so spannend. Ich werde zukünftig in verschiedensten Projekten arbeiten, immer vor neuen Herausforderungen stehen und mich kontinuierlich weiterentwickeln.

WIT: Wo findet man dich in der Freizeit am ehesten?
Julia: Wenn ich gerade nicht in der weiten Welt unterwegs bin, findet man mich meistens draußen. Nicht zum Sport machen, denn ich bin ein absoluter Sportmuffel, sondern zum Fotografieren oder mit Freunden gemütlich im Café oder Biergarten.

WIT: Welche Botschaft möchtest du Frauen oder Mädchen mitgeben, die sich für Technik interessieren?
Julia: Es ist nie zu spät sich für einen anderen Weg im Leben zu entscheiden. Oftmals werden Frauen bereits in jungen Jahren in die “typischen” Berufe geleitet und auch ich bin diesen Weg gegangen. Deshalb mein Appell: Traut euch, egal ob in jungen oder späteren Jahren, eure Interessen zu verfolgen und in Tech-Berufe einzusteigen. Ihr habt das gleiche Potenzial und die gleichen Fähigkeiten wie Männer, um Führungspositionen einzunehmen. Seid zielstrebig und hartnäckig!

WIT: Welchen Herausforderungen begegnest du als Frau in deinem Beruf?
Julia: Da sich mein Studium langsam dem Ende nähert begegne ich einer großen Herausforderung. Ich bin eine 31-jährige Frau, auf der Suche nach einem Job. Ich habe bereits einige Absagen für Stellen bekommen, auf die ich meinem Gefühl nach sehr gut passen würde – ohne überhaupt zu einem Gespräch eingeladen zu werden. Solche Fälle haben immer einen bitteren Beigeschmack, denn wer würde nicht denken, dass meine innere Uhr tickt? Egal ob Berufseinstieg oder Karriereleiter, das Babythema ist als Frau immer präsent. Mit Männern habe ich oft die Diskussion darüber, ob ein Mann Elternzeit in Anspruch nehmen sollte. Bei Männern, die hohe Karriereziele haben, bekam ich fast ausschließlich die Aussage “Damit würde meine Karriere ja ins stocken geraten, das möchte ich nicht riskieren”. Ist meine Karriere weniger wert als die von einem Mann?

WIT: Welche Tipps hast du für Bewerbungsgespräche für technische Positionen?
Julia: Selbstbewusstsein und Ehrlichkeit. Gefühlt müssen Frauen in technischen Berufen immer ein bisschen mehr überzeugen. Wenn man das Wissen und die Fähigkeiten hat, die für die Stelle notwendig sind, sollte man dies auch selbstbewusst darlegen. Gleichzeitig ist es nicht schlimm offenzulegen, wenn man etwas nicht beherrscht. Es ist gut seine Grenzen zu kennen, um sich weiterzuentwickeln und keine falschen Erwartungen zu schüren.

WIT: Frauen in technischen Berufen sind ja leider noch eine Minderheit. Was sind deine Gedanken zu diesem Thema?
Julia: Ich habe drei Gedanken dazu: Das Bildungssystem in Deutschland braucht dringend eine Generalüberholung. Wir müssen anfangen Kinder und Jugendliche früh für Technik und Informatik zu begeistern. Gleichzeitig glaube ich, dass sich über die Generationen hinweg mehr Frauen in diesen Bereichen finden. Schaut man sich historische Daten an merkt man, dass es rund 80 Jahre gedauert hat, bis der Frauenanteil an deutschen Hochschulen auf rund 50% gekommen ist. Mein letzter Gedanke ist das Thema “Frauenquote, ja oder nein?” Eine Diskussion, die ich an der Stelle lieber nicht weiter vertiefen möchte.

WIT: Was verbindet dich mit Frauen in der Technik?
Julia: Verständnis und moralische Unterstützung bei geschlechterbedingten Tiefschlägen. Der Austausch mit Tech-Frauen ist für mich sehr wichtig. Es ist immer gut sich Meinungen und Anregungen einzuholen und selbst Erfahrungen weiterzugeben. Aber aufgepasst: Wir sollten den Austausch auch mit Männern suchen.

WIT: Wer sind deine persönlichen oder beruflichen Role Models?
Julia: Berufliche Vorbilder sind mein Mentor, der durch seine Zielstrebigkeit bereits mit Ende 20 eine steile Karriere hingelegt hat sowie ein guter Freund, der mir gezeigt hat, dass eine gute Work-Life-Balance auch auf der Karriereleiter wichtig und machbar ist. Persönlich nehme ich mir alle Tech-Frauen als Vorbild, die konservativ denkenden Männern die Stirn bieten.

WIT: Vielen Dank für das Interview, Julia!

 

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