Interview mit Ayca Icingir, Strategische Beraterin

WIT: Hallo, Ayca, Bitte erzähle uns doch einmal kurz von dir persönlich
Ayca: Ich bin Ayca Icingir, eine Frau, Mutter, Führungskraft in der IT-Branche mit Migrationshintergrund. Meine Top Themen, wofür ich brenne sind: Innovationen und Innovationstechnologien, Digitalisierung, Diversität und Nachhaltigkeit.

WIT: Was machst du beruflich?
Ayca: Ich bin aktuell strategische Beraterin des Top Management’s bei NTT DATA Business Solutions.

WIT: Was genau versteckt sich hinter deiner Berufsbezeichnung?
Ayca: Ich verfolge Marktentwicklungen und Trends und sich verändernde Kundenanforderungen in unseren Zielsegmenten und evaluiere welche der neuen Trends unser Geschäftsmodell beeinflussen könnten. Darauf basierend mache ich Vorschläge, Pläne und Business Cases zur Transformation von Geschäftsbereichen, Effizienzsteigerung Maßnahmen, Investitionen in Innovationsfelder, Aufbau neuer Geschäftsfelder, Upskilling von Mitarbeitenden, Co-Innovationen mit strategischen Partnern und Kunden, Anpassung von Prozessen, Einführung von Tools etc.

WIT: Wie bist du dazu gekommen, einen technischen Beruf zu wählen?
Ayca: Ich hatte bereits als Kind ein außergewöhnliches Interesse und Spaß an MINT-Fächern, Computer und Technik. Meine Eltern haben dies bestens unterstützt und gefördert, da sie die Zukunft ihrer Kinder nicht in der Arbeiterklasse sahen. Mein erster Computer war ein Commodore 64. Als ich mit 15 Jahren von der Türkei nach Deutschland kam, habe ich parallel zu meinen Deutschkursen auch einen MS DOS Kurs und einen 10 Finger Tippen Schreibmaschinenkurs belegt, weil ich es selbst wollte und meine Eltern es gerne unterstützt haben.

WIT: Wer oder was hat dich am meisten inspiriert, einen technischen Beruf zu wählen?
Ayca: Um ehrlich zu sein, war da nicht diese eine Person als Vorbild sondern eher die Kombination aus meinen Interessen und Stärken gepaart mit der Einsicht, dass technologischer Fortschritt und wirtschaftlicher Wohlstand eng zusammenhängen. 

Ich verstand nicht, warum es die Trennung der technischen und kaufmännischen / kreativen Aufgaben gab, da ich beides mochte und darin Erfahrungen sammeln und mich weiterentwickeln wollte. Ach ja, zusätzlich wurde diese Entwicklung beeinflusst durch die Situation, dass ich nach dem Studium (27 Jahre alt) trotz eines guten Diploms, sehr viele Absagen auf meine Bewerbungen erhielt, da ich als junge Frau mit Migrationshintergrund im gebärfähigen Alter, kaum Chancen hatte eine Marketing Position zu erhalten.

WIT: Was gefällt dir an deiner Tätigkeit am meisten?
Ayca: Kontinuierliches Lernen, innovativ und kreativ denken, Lösungen erarbeiten, Wachstum unterstützen, positiven Einfluss haben

WIT: Was ist für dich das Schönste an deinem Arbeitsalltag?
Ayca: Kommunikation und Austausch mit Mitarbeitenden, Peers und Kunden, gegenseitige Unterstützung, Wertschätzung, Feedback

WIT: Wo findet man dich in der Freizeit am ehesten?
Ayca: In der Natur, entweder in einem Park mit Kindern, oder am See in der Nähe oder im Garten

WIT: Welche Botschaft möchtest du Frauen oder Mädchen mitgeben, die sich für Technik interessieren?
Ayca: Ihr seid die Zukunft! Nutzt die Technik und eure Netzwerke, um die Welt zu gestalten, Innovation voranzutreiben und Lösungen für die Herausforderungen von morgen zu finden.

WIT: Welchen Ratschlag verfolgst du bis heute?
Ayca: Hinfallen, Aufstehen, Krone richten und weitergehen… Auch wenn es mal nicht klappt.

WIT: Welchen Herausforderungen begegnest du speziell als Frau in deinem Beruf?
Ayca: Die typische Glasdecke bzw. für eine Frau mit Migrationshintergrund ist eine Betondecke für weitere berufliche Entwicklung und Karriere.
Ich muss immer mehr leisten und mehr überzeugen als meine privilegierten, männlichen, deutschen Kollegen

WIT: Welche Tipps hast du für Bewerbungsgespräche für technische Positionen?
Ayca: Fokussiert euch nicht nur auf eure fachliche, technische Expertise, sondern zeigt auf, wie Technologien dabei helfen, Umsatz zu generieren oder Effizienz/Effektivität zu steigern. Denn eine Technologie, die keine Probleme löst oder kein Business generiert, braucht keiner. Häufig kommt die kaufmännische Sicht zu kurz in Bewerbungsgesprächen.

WIT: Frauen in technischen Berufen sind ja leider noch eine Minderheit. Was sind deine Gedanken zu diesem Thema?
Ayca: Frauen in technischen Berufen sind nicht nur eine Minderheit, sondern auch eine ungenutzte Ressource. Ihre Sichtbarkeit muss stärker gefördert werden damit wir mehr junge Frauen für technische Berufe begeistern können. Strukturelle Hindernisse, wie fehlende Netzwerke, unbewusste Vorurteile in Einstellungsverfahren oder fehlende Unterstützung in männerdominierten Teams, machen es Frauen schwerer, in technischen Berufen Fuß zu fassen oder aufzusteigen. Die Begeisterung der Mädchen für Technik sollte früh beginnen – durch Initiativen, die praktische und spannende Erfahrungen in Technik-Feldern ermöglichen.

WIT: Was verbindet dich mit Frauen in der Technik?
Ayca: Gemeinsame Interessen

WIT: Bitte beschreibe eine herausfordernde Situation, der du in deinem Beruf in der Vergangenheit begegnet bist.
Ayca: Es war April 2022 und ich hatte einen Termin mit der Geschäftsführung, um meine Empfehlungen für neue Investitionsfelder zu präsentieren. Unter meinen Top 3 Empfehlungen war auch das Thema Nachhaltigkeit, welches zu der Zeit als ein Trendthema behandelt wurde. Mein Pitch für Nachhaltigkeit Investitionen wurde kommentiert mit dem Feedback „Du weißt, wie wir unser Geld verdienen und kein Wohltätigkeitsverein sind, oder Ayca?“ Nach 2 weiteren Gesprächen, Präsentation von ZDF zum Marktpotential etc. wurde ich 3 Monate später vom CEO eingeladen, um Ideen zum Aufbau einer internen Organisation und marktorientierten Initiativen und Schritte zu besprechen. Die Business Cases für die Forschungsprojekte, Co-Innovationsprojekte sowie Eigenlösungen wurden alle mit den erforderlichen Investitionen unterstützt.

WIT: Wohin möchtest du dich zeitnah beruflich und persönlich weiter entwickeln?
Ayca: Ich möchte auf jeden Fall weiterhin im IT/Tech und Beratungsumfeld bleiben und mein Branchen-, Prozess- und IT Know How mit KI Tools ergänzen und wertstiftende, sinnvolle Lösungen liefern. Ob im Konzern oder in einem kleinen Unternehmen, das wird sich in den nächsten Wochen ergeben. Persönlich möchte ich weiterhin jede Menge dafür tun und einen Beitrag leisten, dass unsere Töchter es einfacher haben, wenn sie sich für eine männerdominierte Branche entscheiden.

WIT: Wer sind deine persönlichen oder beruflichen Role Models?
Ayca: Ich habe keine einzelne Person, sondern mag Eigenschaften und Züge von diversen Role Models wie bspw. Steve Jobs für seine Visionen, Madonna und Beyonce für ihr Selbstbewusstsein und Sichtbarkeit, Sheryl Sandberg für ihren Einsatz für Frauen in Führung in Tech, Tijen Onaran für Ihren Mut und Sichtbarkeit etc.

Dieser Verein verdient viel mehr Sichtbarkeit. Ich freue mich, ein Teil davon zu werden und mich zu unterstützen.
Ein besonderes Projekt von mir, auf das ich stolz bin, ist die Gender Diversity Initiative bei der NTT DATA Business Solutions, welches ich 2018 als eine Graswurzel-Initiative startete. Daraus entstand im Laufe der Jahre ein Corporate und lokale Teams, tolle Communities, Programme zur Förderung von Frauen und ein erfreulicher kontinuierlicher Anstieg des gesamten Frauenanteils von 23% auf 32%.

Vielen Dank für das Interview, Ayca!

 

 

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