WIT: Hallo Tanja, bitte erzähle uns doch einmal kurz von dir persönlich? Was machst du beruflich?
Tanja: Ich bin Global SAP Product Alliance Manager in einer rasant wachsenden Enterprise Software Firma.
WIT: Was genau versteckt sich hinter der Berufsbezeichnung?
Tanja: Ich bin verantwortlich für die Geschäftsbeziehungen zu dem für uns strategischen Partner SAP. Außerdem plane und manage ich die Produktintegrationen unserer Produkte in SAP-Produkte. Im Augenblick bin ich zusätzlich für unseren ersten Messeauftritt bei der größten SAP-Veranstaltung Sapphire NOW verantwortlich.
WIT: Wie bist du dazu gekommen einen technischen Beruf zu wählen?
Tanja: Das ist etwas ungewöhnlicher Werdegang, auch wenn die Entscheidung dafür wohl typisch für mich ist. Ich muss dazu ein bisschen ausholen. Als Jugendliche (und auch jetzt noch) war ich der Typ Mädchen, der zig verschiedene Interessen hat und alles Mögliche ausprobieren muss. Ich habe Geige und Klavier gespielt, war im Orchester und zweimal die Woche im Chor. Ich habe Nähkurse und Schreibmaschinenkurse belegt, mal in einem Jahr neun Pullis gestrickt und zusätzlich zu Latein, Englisch und Französisch als Schulfächer nebenbei auch noch Italienisch gelernt. Neue Dinge anzufangen und zu lernen hat mich am meisten begeistert.
Als es um die Berufswahl ging, wollte ich zunächst Sprachen studieren. Allerdings habe ich keinen Beruf gefunden, den ich danach hätte ausüben wollen. Also suchte ich nach einem Plan B. Von Informatik hatte ich keine Ahnung, hatte aber das Gefühl, dass mir ein Informatikstudium erlauben würde, hinterher eine ganze Bandbreite an möglichen Berufen auszuüben. Ich müsste mich nicht so festlegen wie bei anderen Studiengängen. Das Knobeln an Problemen hatte mir immer Spaß gemacht und ich war gut in Mathe.
Damals (1989) war es zum Glück keine Voraussetzung, schon besondere Programmier- oder Informatikkenntnisse zu haben, sodass ich relativ unbedarft an das Studium herangehen konnte.
WIT: Wer oder was hat dich am meisten inspiriert einen technischen Beruf zu wählen?
Tanja: Mich hat vor allem inspiriert, etwas zu lernen, was ich noch nicht konnte. Außerdem hat es mich als junge Frau gereizt, einen frauenuntypischen Beruf zu erlernen.
WIT:Hat dich Technologie und Programmieren schon immer interessiert?
Tanja: Nein, gar nicht, das kam wirklich als spontane Entscheidung kurz vor dem Abitur. Ich habe allerdings schon immer gern Probleme gelöst und geknobelt. Das ist auch heute noch eine starke Antriebsfeder für mich.
WIT:Haben deine Eltern und Lehrer deine Vorliebe und dein Interesse für Computer gefördert?
Tanja: Meine Eltern haben die Entscheidung begrüßt, konnten mich aber inhaltlich nicht unterstützen.
WIT: Was gefällt dir an deiner Tätigkeit am meisten?
Tanja: Mir gefällt an meinem Beruf immer noch am meisten die Vielfalt der möglichen Aufgaben. Tatsächlich habe ich seit ca. 20 Jahren nicht mehr programmiert, bin aber der IT als Branche immer treu geblieben. Es reizt mich besonders, die Zukunft mitzugestalten und Veränderungen zu bewirken.
Das ist überhaupt mein größter Antrieb: Einfluss und Gestaltungsmöglichkeiten zu haben und Dinge zu verändern oder Abläufe zu verbessern.
WIT: Was ist für dich das Schönste an deinem Arbeitsalltag?
Tanja: Das Schönste für mich ist die Arbeit in internationalen, funktionsübergreifenden Teams. Aktuell für die Messevorbereitungen arbeite ich als Projektleiterin mit ungefähr 30 Leuten über alle Kontinente und Bereiche verteilt. Ich arbeite mit dem CMO, diversen VPs aus Marketing und Partnermanagement genauso wie mit Entwicklern, Vertrieb und Presales, also allen möglichen Funktionen und allen möglichen Bereichen. Ich habe eine Riesenfreude daran, wie begeistert alle bei der Sache sind, wie alle ihre Fähigkeiten, ihre Beziehungen und ihre Ideen reinwerfen, völlig unabhängig von Position und Titel und sonstigem Tagesgeschäft, um das Ganze für die Firma gemeinsam zu einem Erfolg zu bringen.
WIT: Wo findet man dich in der Freizeit am ehesten?
Tanja: Bei meiner Familie. Ich habe drei eigene Kinder zwischen 9 und 17, zwei Stiefsöhne, 13 und 28 und einen Hund. In den letzten 3 Jahren haben wir ein Bauernhäuschen in Südtirol renoviert (bzw. renovieren lassen). Auch privat sind wir eine Familie mit vielen kleinen und großen Projekten, das zieht sich bei mir durch wie ein roter Faden. Zum Glück tickt mein Mann da genauso.
Außerdem nehme ich Gesangsstunden und habe begonnen zu laufen. Mein nächstes Ziel sind 10 Kilometer.
WIT:Welche Botschaft möchtest du Frauen oder Mädchen mitgeben die sich für Technik interessieren?
Tanja: Traut Euch! Einfach anfangen und sich fortbilden. Technische Fähigkeiten haben nichts mit Talent zu tun, sondern – wie vieles im Leben – mit Interesse und Fleiß.
Außerdem rate ich Mädchen und Frauen, sich nicht unterbuttern zu lassen und für sich einzutreten. Im Studium kam es häufig vor, dass wir zu zweit an einem Computer sitzen mussten. Die Männer dachten da meist, sie müssten die Kontrolle übers Keyboard haben und wir Frauen dürften zuschauen „wie das geht“. Ich habe dann, selbst wenn ich wusste, dass ich vielleicht noch nicht alles kann, gelegentlich die Tastatur an mich genommen mit einem „So, jetzt bin ich mal dran.“
Lasst euch nicht in den Hintergrund drängen, aber setzt dafür vor allem eure eigene Persönlichkeit und eure besonderen Charaktereigenschaften ein. Es gibt keinen Königsweg. Was eine wie ich mit „laut-fröhlichem Auftreten“ schafft, schaffen andere Frauen mit leisen Tönen und einer zurückhaltenden, aber klaren und bestimmten Haltung.
WIT: Welchen Ratschlag verfolgst du bis heute?
Tanja: Mutig sein, Neues wagen.
In der Rede zum Abschluss meines MBA-Programms gab unseres Dekan uns Absolventen folgenden Ratschlag: „Traut Euch, Fehler zu machen. Wenn Ihr keine Fehler macht, dann habt Ihr nicht genug gewagt.“ An diesem Ratschlag orientiere ich mich bis heute.
WIT: Welchen Herausforderungen begegnest du als Frau in deinem Beruf?
Tanja: Die größte Herausforderung für mich war die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich möchte gerne beides und am liebsten beides zu 100%. Insbesondere als meine Kinder noch klein waren, war es schwer, mich im Beruf gegenüber dem klassischen Rollenverständnis zu behaupten. Von männlichen Kollegen habe ich oft den Rat gehört: „Eine Mutter gehört zu ihren Kindern.“ Oder „Nichts ist so wichtig wie Deine Zeit mit dem Kind.“ Diese Maßgaben von außen empfand ich als übergriffig und diskriminierend. Tatsächlich musste ich über mehrere Jahre meinen Beruf und meine Karriere hintenan stellen und kann erst jetzt, wo die Kinder langsam wieder älter sind, wieder durchstarten. Mit Kindern über 10 ist es akzeptierter aber auch leichter zu organisieren, voll am Berufsleben teilzunehmen.
Wichtig finde ich dabei die Unterstützung und den Rückhalt durch den Partner. Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf funktioniert nur als Team.
WIT: Welche beruflichen Ziele verfolgst du zur Zeit?
Tanja: Ich möchte unsere Firma zum erfolgreichsten Anbieter für RPA Software im SAP-Markt machen. Ich kann mir auch vorstellen, wieder ein Team zu leiten, das habe ich wirklich gern und mit viel Herzblut gemacht. Wichtiger als das ist mir jedoch, dass meine Ideen gehört und umgesetzt werden.
WIT: Welche Tipps hast du für Bewerbungsgespräche für technische Positionen?
Tanja:Frauen sollten sich auf Stellen bewerben, auch wenn ihre Qualifikation nur zu 70% passt. Unser Perfektionismus und unsere Selbstkritik hält uns oft davon ab, den nächsten Schritt zu wagen.
WIT: Was Verbindet dich mit Frauen in der Technik?
Tanja: Ich arbeite sehr gern mit Frauen zusammen (mit Männern aber auch). Bei meinem aktuellen Arbeitgeber gibt es viele Frauen in Führungspositionen und in der Tat herrscht eine große Diversität und Gleichberechtigung auf allen Ebenen. Ich habe aber auch schon andere Erfahrungen gemacht und daher versuche ich bewusst, mit Frauen gut zusammen zu arbeiten und – sofern ich in einer Führungsposition bin – Frauen auch zu fördern.
Liebe Tanja, danke, dass du dir für dieses Interview Zeit genommen hast.
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Linkedin: Tanja Breitling Zboril
Twitter: @TanjaZboril