WIT: Hallo Victoria, bitte erzähle uns doch einmal kurz von dir persönlich?
Victoria: Hallo, mein Name ist Victoria, ich bin Mexikanerin und arbeite in Deutschland seit ungefähr 4 Jahren. Ich habe Informatik im Bachelorstudium in Monterrey, Mexiko abgeschlossen.
Direkt nach meinem Bachelor habe ich als Werkstudentin an der Uni gearbeitet, in der gleichen Fakultät, wo ich studiert habe, der Mathematik und Physik Fakultät der Universität in Nuevo Leon (meiner Heimatstadt). Da habe ich mich mit verschiedenen Themen bezüglich der Forschung von Optik- und Photonik beschäftigt. Zur gleichen Zeit arbeitete ich in der IT Abteilung bei der Firma Alliax (Grupo Alfa). Beide Arbeitserfahrungen halfen mir zu erkennen, dass ich mein Wissen erweitern wollte.
Danach habe ich Software Engineering an der Universität von Sheffield in Großbritannien studiert. Als ich Studentin war, hatte ich die Möglichkeit ein bisschen zu reisen und eine der Städte die ich besuchen konnte war München. Ich habe mich sofort in die Stadt verliebt. Mehr als ein halbes Jahr später habe ich ein Praktikum in München gesucht, wo ich ungefähr neun Monate gearbeitet habe, ich konnte aber leider kein Deutsch sprechen und meine Kenntnis über das Land war sehr gering. Zum Glück waren meine Kollegen bei Attocube Systems GmbH immer sehr verständnisvoll und halfen mir, verschiedene Aspekte der deutschen Kultur kennenzulernen.
Nach dem Praktikum habe ich meinen aktuellen Job in Erlangen bei Siemens gefunden, in der Mobility Abteilung (heute Siemens Mobility GmbH), wo ich jetzt schon mehr als drei Jahre arbeite.
In der Zwischenzeit musste ich mein Deutsch verbessern, da ich nach sechs Monaten nur auf Deutsch arbeiten sollte. Es war in der Tat eine ständige Lernerfahrung, die ich nicht eintauschen würde, selbst wenn ich die Chance dazu hätte. Meine Kollegen waren unglaublich geduldig und unterstützend in Bezug auf meine Sprachkenntnisse, dafür bin ich sehr dankbar.
WIT: Victoria, was machst du beruflich?
Victoria: Ich bin Softwareentwicklerin bei Siemens Mobility GmbH in Erlangen, Deutschland.
WIT: Was genau versteckt sich hinter der Berufsbezeichnung Softwareentwicklerin?
Victoria: In unserer Abteilung bauen wir verschiedene IT Applikationen und Solutions für mehrere Schienenfahrzeuge (schnelle Züge, U-Bahnen, S-Bahnen und so weiter). Diese Lösungen konzentrieren sich auf Zugbegleiter und Passagiere im Zug.
WIT: Wie bist du dazu gekommen einen technischen Beruf zu wählen?
Victoria: Ich habe erst spät mit dem Computer angefangen, war aber nach dem ersten Mal sehr interessiert. Ich war mir nicht ganz sicher, was ich vor dem Eintritt in die Universität studieren wollte, aber eine von meinen Tanten hat Informatik studiert. Am Ende hat sie empfohlen, dass ich bei der Physik und Mathe Fakultät auch Informatik studieren sollte. Der Rest ist Geschichte.
WIT: Wer oder was hat dich am meisten inspiriert einen technischen Beruf zu wählen?
Victoria: Mein Vater ist ein Ingenieur, viel von meinem technischen Background habe ich von ihm gelernt. Meine Mutter hat Chemie und Biologie an der Uni studiert (QBP – Chemiker-Biologe-Parasitologe), von ihr habe ich Sachen Richtung Naturwissenschaft gelernt. Informatik war aber, ein ganz neues Thema für mich, und ich musste mir Leute direkt an der Uni als inspiration nehmen.
WIT: Hat dich Technologie und Programmieren schon immer interessiert?
Victoria: Nicht wirklich. An der Uni habe ich Telecommunications studiert, weil ich nicht sicher wegen Programmierung war. Danach habe ich eine Position in einer mexikanischen Firma bekommen, wo ich programmieren sollte, dann habe ich des eigentlich erst gelernt. Nach ein paar Monaten habe ich mich mehr für neue Programmiersprachen interessiert, deswegen arbeite ich noch im gleichen Bereich.
WIT: Haben deine Eltern und Lehrer deine Vorliebe und dein Interesse für Computer gefördert?
Victoria: Keiner von meinen Lehrern hat gedacht, dass ich etwas in der Richtung von Informatik studieren werde. In der Highschool wurde mir vorgeschlagen, dass ich Architektur studieren sollte, und meine Familie hat auch empfohlen, dass ich etwas Richtung Linguistics studieren könnte, weil ich gerne neue Sprachen lerne.
WIT: Was gefällt dir an deiner Tätigkeit am meisten?
Victoria: Es gibt immer was Neues zu tun, es gibt immer was Neues zu lösen, es gibt immer was Neues zu lernen. Alles ist sehr dynamisch, das finde ich spannend.
WIT: Was ist für dich das Schönste an deinem Arbeitsalltag?
Victoria: Für mich ist es sehr interessant, dass wir Zugriff auf alle Arten von Tools und Ressourcen haben, die wir zum Testen und Entwickeln verwenden können, um bessere und vielfältige Lösungen basierend auf den Kundenanforderungen zu erstellen und bereitzustellen. Jeder von ihnen erfordert eine Lernkurve, die auf ihren Vorkenntnissen basiert, was zu einer Menge Spaß bei der Zusammenarbeit im Büro führt.
WIT: Wo findet man dich in der Freizeit am ehesten?
Victoria: Ich versuche an IT / Tech Veranstaltungen als Speakerin oder einfach als Besucherin teil zu nehmen. Ich bin Co-Founder von “Mexican Professionals in Germany”, unser Gegenstand ist die Entwicklung von Publikationen über Mexikaner, die im Ausland berufstätig sind.
WIT: Welche Botschaft möchtest du Frauen oder Mädchen mitgeben die sich für Technik interessieren?
Victoria: Sie müssen sich darauf vorbereiten, jeden Tag etwas Neues für den Rest Ihres Lebens zu lernen.
WIT: Welchen Ratschlag verfolgst du bis heute?
Victoria: Gib nie auf. Es spielt keine Rolle, wie oft du scheiterst, wie oft du etwas wiederholen musst, was schief gelaufen ist. Es spielt keine Rolle, wie oft du ein „Nein“ erhältst. Versuche es erneut. Lerne aus deinen Fehlern und werde eine bessere Version von dir.
WIT: Frauen in technischen Berufen sind ja leider noch eine Minderheit. Was sind deine Gedanken mit diesem Thema?
Victoria: Ich denke, das wird sich enorm zwischen den Kulturen unterscheiden, aber die Unterstützung Ihrer Familie oder Ihrer Schulmitglieder ist eine große Hilfe, wenn Sie einen Weg beschreiten, der normalerweise nur für Männer geeignet ist. Die Klischees helfen auch nicht und machen es jüngeren Mädchen schwer, Entscheidungen über Wege zu treffen, denen sie folgen möchten. Die mangelnde Sichtbarkeit von Frauen, nicht nur in der Technik, sondern in jedem Bereich, schränkt die Inspiration für diejenigen ein, die es gerne ausprobieren möchten, aber kein Beispiel oder einen Leitfaden kennen, der ihnen helfen könnte.
WIT: Wer sind deine persönlichen oder beruflichen Vorbilder ?
Victoria: Bei Siemens Mobility haben wir eine Frau als CEO, Frau Soussan, und bei Siemens haben wir auch eine Mexikanerin als CCSO (Chief Cybersecurity Officer), Frau Oropeza.
Meine engsten Vorbilder sind jedoch die Frauen in meiner Familie. Sie alle haben irgendwie einen anderen Lebensstil gelebt, und sie mussten alle unterschiedlichen Hindernissen im Leben begegnen.
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