WIT: Hallo, Emanuela, Bitte erzähle uns doch einmal kurz von dir persönlich
Emanuela: Hallo! Ich heiße Emanuela und bin Software Creative in Wien.
Ich habe technische Mathematik studiert, war 10 Jahre lang im Risikomanagement in Banken tätig und habe dazwischen ein Jahr in New York auf der Uni gearbeitet. Dann habe ich als Quereinsteigerin in die IT Branche gewechselt. Ich bin verheiratet und habe eine 8 jährige Tochter.
WIT: Was machst du beruflich?
Emanuela: In der IT ist meine offizieller Arbeitstitel “Full Stack Software Entwicklerin”.
Ich selbst bezeichne mich gerne als “Software Creative”.
Da ich den kreativen und kommunikativen Aspekt davon mehr hervorstreichen möchte. Außerdem haben viele Leute noch immer das Bild der einsam im Kammerl vor sich hinprogrammierenden Person im Kopf – dabei stimmt das so gar nicht!
WIT: Was genau versteckt sich hinter deiner Berufsbezeichnung?
Emanuela: Ich decke als Allrounderin alles ab: vom Gespräch mit der Kund:in zu den Wünschen, was die Software können muss, über die Überlegungen zur Umsetzung (welche Modelle, welche Programmiersprache, welche Frameworks, etc) bis hin zur tatsächlichen Implementierung von Front End und Back End. Dazu gehört aber auch Tests zu schreiben & zu pflegen (wie zb Unittests & Webtests), als auch um Rückfragen vom Kund:innen oder Supportmeldungen zu kümmern.Mir ist es ein großes Anliegen, Software so zu gestalten, dass die User:innen eine Erleichterung haben. User Interface und User Experience sind wichtige Themen für mich und da versuche ich einerseits mir Wissen anzueignen auf dem Gebiet, als auch einfach im Gespräch mit Kund:innen herauszufinden, wie die Software verwendet wird, um es noch besser an die Bedürfnisse anpassen zu können.
Das ist ein sehr dynamischer, agiler, kreativer und kommunikativer Prozess. Und nicht nur rein technisch.
WIT: Wie bist du dazu gekommen, einen technischen Beruf zu wählen?
Emanuela: Ich habe eigentlich nie einen konkreten technischen Beruf gewählt oder als Berufswunsch gehabt.Ich habe in der Schule immer gesagt: “ich möchte einmal etwas mit Mathematik oder Informatik machen” und dann habe ich den jeweils nächsten Ausbildungsschritt (Oberstufe Realgymnasium und dann das Studium “Technische Mathematik”) rein nach Interesse gewählt, ohne auch nur eine Ahnung zu haben, was ich beruflich später damit machen kann/möchte.
Ich habe dann nach dem Studium 10 Jahre in Banken im Risikomanagement gearbeitet. Dort kommen Themen aus Mathematik, Informatik und Wirtschaft zusammen. Ich habe jedoch immer mehr die IT-Themen übernommen und wollte mich darauf konzentrieren. Und dann erst hatte ich den konkrete Berufswunsch zur Software Entwicklerin.
WIT: Wer oder was hat dich am meisten inspiriert, einen technischen Beruf zu wählen?
Emanuela: Meine Liebe zum Rätsel lösen und dass ich mich in Probleme reinhängen und alles um mich vergessen kann.
Ich hatte keine Vorbilder – ich wollte einfach nur das machen, was mir Freude bereitet.
WIT: Hat dich Technologie und/oder Programmieren schon immer interessiert?
Emanuela: Mir hat Mathematik in der Schule schon immer Spass gemacht und hatte früh Kontakt zu Computern. Mein Vater war sehr interessiert an Computern und so hatten wir schon in den 80ern einen Computer daheim und in den 90ern war ich die erste in meiner Klasse, die Internet zu Hause hatte. Ich hatte freien Zugang zu den Geräten und hatte daher keine Berührungsängste. Mit dem Programmieren selbst hab ich in der Schule mit dem Wahlpflichtfach Informatik mit 16 Jahren angefangen.
WIT: Haben deine Eltern und Lehrer deine Vorliebe und dein Interesse für Technik gefördert?
Emanuela: Mit wurde von meinen Eltern von klein auf an vermittelt, dass ich als Mädchen alles genauso machen kann wie Buben auch.
Bei Lehrer:innen bekam ich gemischtes Feedback: Manche haben es total unterstützt und gefördert.
Von anderen hingegen habe ich den “Ratschlag” bekommen, ich möge doch eher einen Lehrberuf ergreifen, da dieser später als Mutter besser mit Familie zu vereinbaren sei. Oder ich wurde gefragt, ob ich wirklich ein technisches Studium machen möchte – das sei ja so schwierig.
Das hat allerdings eher eine Trotzreaktion in mir ausgelöst, um zu zeigen, dass es sehr wohl geht.
WIT: Was gefällt dir an deiner Tätigkeit am meisten?
Emanuela: Ich liebe es, Rätsel zu lösen! Da kann ich mich in der Software Entwicklung voll ausleben.
Weiters finde ich es großartig, wenn ich bei den User:innen sehe, wie sehr sie sich über die Software freuen, weil es ihnen Arbeit abnimmt/erleichtert. Das ist das beste Feedback, das ich bekommen kann!
WIT: Was ist für dich das Schönste an deinem Arbeitsalltag?
Emanuela: Ich genieße die Vielfalt: einerseits ist jedes Projekt einzigartig und spannend und andererseits gibt es so viele Frameworks/Programmiersprachen/Tools, die man ausprobieren kann. Ich kann mich auch phasenweise nur zB im Front End vertiefen und danach wieder woanders einen Schwerpunkt setzen.
Ich bestimme meinen Arbeitsalltag sehr stark mit!
Ich arbeite zumeist remote von daheim, kann aber jederzeit ins Büro fahren oder mich mit Kolleg:innen in einem Shared-Office treffen (unser Team ist auf zwei Städte verteilt).
Ich habe eine 8 jährige Tochter und da hilft es sehr, dass ich arbeiten kann wann & wo & wie ich will.
WIT: Wo findet man dich in der Freizeit am ehesten?
Emanuela: Mit meiner Familie unterwegs oder beim Tanzen.
WIT: Welche Botschaft möchtest du Frauen oder Mädchen mitgeben, die sich für Technik interessieren?
Emanuela: Jeder kocht nur mit Wasser! Nicht abschrecken lassen von Blendern!
Wenn es dich interessiert, dann schaffst du es auch! Technik ist so ein breit gefächertes Gebiet mit allen Möglichkeiten von rein theoretisch bis zu den Anwendungen. Man muss kein Nerd sein, um in der Technik zu arbeiten – ganz im Gegenteil.
WIT: Welchen Ratschlag verfolgst du bis heute?
Emanuela: Wenn dich etwas stört, dann überlege, ob du dich damit abfinden kannst/möchtest oder nicht.
Wenn nicht, dann ändere es!
Jammern und warten bis etwas passiert funktioniert nicht. Aktiv werden hingegen schon.
WIT: Welchen Herausforderungen begegnest du speziell als Frau in deinem Beruf?
Emanuela: Ich habe viele Jahre als einzige Frau in einem sonst reinen Männerteam gearbeitet. Ich wollte aber nie eine Quotenfrau sein – gefühlt hat mir das Kompetenzen abgesprochen, und nur aufgrund des Frau-seins den Job bekommen zu haben.
Ich hatte dadurch das Gefühl, mich ständig beweisen zu müssen.
Einerseits möchte ich nicht ständig darauf reduziert werden, eine Frau in einem technischen Beruf zu sein. Andererseits sehe ich bei meiner Tochter, wie wichtig es für sie ist, weibliche Vorbilder in allen Berufsgruppen zu haben.
Wenn ich ihr sage, sie kann alles machen/werden, was sie möchte, dann ist ihre Antwort: “Okay, zeig mir ein Beispiel!”.
Und daher bin ich zwiegespalten, dass ich einerseits im Beruf als Individuum wahrgenommen werden möchte und andererseits als Frau in der IT aktiv sichtbar werde, damit die nächste Generation viele Beispiele für Frauen in allen Berufsgruppen hat.
WIT: Welche Tipps hast du für Bewerbungsgespräche für technische Positionen?
Emanuela: Verkaufe dich nie unter deinem Wert!
Recherche vorher ist das A & O!
Speziell bei Gehaltsverhandlungen! Immer versuchen rauszufinden, was so die Gehaltsspanne ist für die Position mit deiner Berufserfahrung. Und dann da ein bisschen noch draufgeben (die werden dann sowieso runtergehandelt und dann hat man eher Chancen bei seinem Wunschgehalt zu landen).
Ansonsten: ist der Job ein gutes Sprungbrett in eine zukünftige Wunschposition um den Fuß in die Tür zu bekommen und ist es einem eine Gehaltseinbußung wert? Oder ist das Arbeitsklima/Work-Life-Balance so toll, dass man lieber Lebensqualität hat als mehr Geld.
Ich habe sowohl hart verhandelt (und in 3 Jobs auch mehr verdient als männliche Kollegen), als auch bewusst Jobs genommen, die weniger gut gezahlt haben, weil sie wegweisend für mein Berufsziel waren.
Das muss man für sich selbst entscheiden.
WIT: Frauen in technischen Berufen sind ja leider noch eine Minderheit. Was sind deine Gedanken zu diesem Thema?
Emanuela: Solange es in Bekleidungsgeschäft Buben/Mädchen Abteilungen gibt mit blau/schwarz/harten Motiven auf der einen und rosa/glitzer/putzig auf der anderen Seite, und sich die Kinder im Kindergarten schon gegenseitig sozialisieren mit Mädchen/Buben-Spielzeug und Mädchen glauben sie dürfen nur Röcke tragen, dann brauchen wir uns nicht wundern, wenn sich später die Mädchen auch nur für die klischeebehafteten Mädchenberufe entscheiden.
Dass Mädchen und Buben die gleichen Chancen und Möglichkeiten haben und diese auch ergreifen können, fängt schon im Kleinkindalter an bzw wird man teilweise schon dort verunmöglicht.
WIT: Bitte beschreibe eine herausfordernde Situation, der du in deinem Beruf in der Vergangenheit begegnet bist.
Emanuela: Ich habe immer deutlich jünger ausgesehen. Ich hatte mehrmals die Situation mit etwa 25 Jahren in Meetings zu sitzen und wurde von anwesenden Männern (die mich nicht gekannt haben), für die 14 jährige Praktikantin gehalten und wurde auch einmal um Kaffee gebeten.
Ich habe dies dann aber auch zu meinem Vorteil genutzt: Wenn es um wichtige Entscheidungen ging und ein Mann (der mich nicht gekannt hat) sehr dominant seine Punkte vorgetragen hat, dann habe ich in Ruhe abgewartet, mir Notizen gemacht um seine Aussagen zu entkräftigen und dann gegen Ende, als er sich in Sicherheit wiegte, hab ich dann angefangen, meine Gegenposition vorzubringen.
Der Überraschungseffekt war auf meiner Seite, er war überrumpelt und ich konnte so meine Punkte durchbringen. Ich habe gelernt mein junges Aussehen zu meinem Vorteil statt Nachteil zu nutzen.
Ich bin sehr froh mittlerweile diese Strategiespiele nicht mehr notwendig zu haben und auf Augenhöhe mit allen reden zu können, weil ich einerseits in einem respektvollen, gleichberechtigten Arbeitsumfeld nun bin – und auch weil es mit mittlerweile 41 Jahren egal ist, ob man ein paar Jahre jünger aussieht.
WIT: Wohin möchtest du dich zeitnah beruflich und persönlich weiter entwickeln?
Emanuela: Ich genieße meinen momentanen Zustand nicht auf ein Ziel hinzuarbeiten, sondern das Jetzt zu genießen. Es fühlt sich gut an, nicht die nächsten 10 Jahren vorgeplant zu haben, sondern neugierig zu schauen, wo es mich hinverschlägt.
WIT: Vielen Dank für das Interview, Emanuela!