WIT: Hallo, Aza, Bitte erzähle uns doch einmal kurz von dir persönlich
Aza: Ich bin Aza, lebe seit 11 Jahren in Deutschland.
Ich habe Wirtschaftsinformatik an der HTW Berlin studiert, habe 3 Kinder und 2 Katzen.
WIT: Was machst du beruflich?
Aza: Ich arbeite aktuell als Senior Application Consultant bei IBM und bin nebenberuflich als Lehrbeauftragte an der HTW tätig.
WIT: Was genau versteckt sich hinter deiner Berufsbezeichnung?
Aza: In meinem jetzigen Projekt bin ich als RPA Developerin tätig und baue Bots d.h automatisierte Prozesse die langweilige Aufgaben von Menschen übernehmen.
WIT: Wie bist du dazu gekommen, einen technischen Beruf zu wählen?
Aza: Ich war immer von Technik begeistert und als wir nach Deutschland gezogen sind, stand ich vor der Wahl, entweder zu versuchen, mein Studium anerkennen zu lassen( habe Jura studiert) oder endlich meinen Traum zu erfüllen und studieren, was ich wirklich will.
Ich habe immer geträumt Informatik zu studieren, habe mich aber nicht getraut, da ich dachte, man brauche perfekte Mathe-Kenntnisse. Und das war mir schon egal und habe mir vorgenommen, es zu versuchen, abbrechen kann man das Studium jeder Zeit. Ich dachte mir aber: Wer braucht eine Frau mit 40, die Kopftuch trägt, 3 Kinder hat und erst in die Berufswelt einsteigt? Aber dann habe ich überlegt, wenn ich nicht studiere werde ich trotzdem 40 und dann braucht mich definitiv kein Unternehmen, also habe ich eine 50/50 Chance.
Jetzt nach paar Jahren sehe ich, dass mich doch viele Arbeitgeber brauchen, ich bewerbe mich nicht mehr, die Unternehmen bewerben sich bei mir 🙂
WIT: Wer oder was hat dich am meisten inspiriert, einen technischen Beruf zu wählen?
Aza: Mein Mann hat mich sehr viel unterstützt und gepusht. Ohne ihn würde ich das Studium gar nicht schaffen. Mein Deutsch war nicht perfekt, wenn ich ein Wort vergessen habe, konnte ich den ganzen Satz nicht mehr schreiben, ich habe während der Prüfung Blackouts bekommen und wollte nur heulen und mich unter der Decke verstecken. Dann kam mein Mann und hat mir gesagt: „Hör auf zu jammern, reiß deinen Ar*** hoch und mach weiter!“ Da hatte ich plötzlich wieder meine Motivation zurück 😁
WIT: Hat dich Technologie und/oder Programmieren schon immer interessiert?
Aza: Ja, ich fand es faszinierend, könnte mir aber nicht vorstellen, dass ich irgendwann diesen Code selbst verstehen werde. Jetzt muss ich schmunzeln, wenn ich sehe, wie die Hacker in Filmen Debugging zeigen.
WIT: Haben deine Eltern und Lehrer deine Vorliebe und dein Interesse für Technik gefördert?
Aza: Meine Mama war schockiert, als ich erzählt habe, was ich studieren will, sie fand es nicht passend für eine Frau und fände besser, wenn ich zuhause bleiben und mich um die Kinder kümmern würde. Mein Mann hat mich aber bei meinem Vorhaben unterstützt und ist sehr stolz auf mich.
WIT: Was gefällt dir an deiner Tätigkeit am meisten?
Aza: Die Möglichkeit, sofort die Ergebnisse meiner Arbeit zu sehen, ich entwickle etwas, was dann die Kollegen und Kunden unterstützt.
WIT: Was ist für dich das Schönste an deinem Arbeitsalltag?
Aza: Abwechslungsreiche Aufgaben, es wird nie langweilig. Man hat Herausforderungen, wird aber am Ende des Tages für die Ergebnisse belohnt und gelobt.
WIT: Wo findet man dich in der Freizeit am ehesten?
Aza: Außerhalb von Berlin. Letztes Wochenende war es die Sächsische Schweiz. Wir sind immer am Wochenende unterwegs, die Welt ist zu schön um zuhause zu bleiben.
WIT: Welche Botschaft möchtest du Frauen oder Mädchen mitgeben, die sich für Technik interessieren?
Aza: Mut haben und probieren. Es ist nie zu spät deinen Träumen zu folgen. Lieber probiere ich und stelle fest, dass es nicht das was ich will, als bereue später dass ich es nicht versucht habe. Nur Mut und Motivation, alles andere kommt.
WIT: Welchen Ratschlag verfolgst du bis heute?
Aza: „You can’t change the people around you, but you can change the people around you.“
Joshua Fields Millburn
Finde ich einfach genial!
WIT: Welchen Herausforderungen begegnest du speziell als Frau in deinem Beruf?
Aza: Als Frau mit Kopftuch habe ich ab und zu mit Hass und Rassismus zu tun. Das kann man leider nicht vermeiden. Aber ich habe gelernt es zu ignorieren.
WIT: Welche Tipps hast du für Bewerbungsgespräche für technische Positionen?
Aza: Sei ehrlich und sei Du selbst, versuch nicht mit irgendwelchen Tipps das Interview zu bestehen, sondern frage dich ob es wirklich für dich ist und wenn die Chemie stimmt, zeige was du kannst, was deine Besonderheiten sind und welchen Mehrwert du dem Unternehmen bringst.
WIT: Frauen in technischen Berufen sind ja leider noch eine Minderheit. Was sind deine Gedanken zu diesem Thema?
Aza: Wir brauchen mehr Frauen, die aber ihre Weiblichkeit nicht verlieren. Wir wollen die Männer nicht ersetzen, sondern die IT mit unserer weiblichen Essenz bereichern.
WIT: Was verbindet dich mit Frauen in der Technik?
Aza: Ich freue mich immer mehr Frauen kennenzulernen und zu vernetzen, uns gegenseitig zu unterstützen und zu inspirieren. Und ich unterstütze gerne immer die Studentinnen, die mich über LinkedIn kontaktieren und Fragen zu verschiedenen Themen stellen oder um Tipps fragen.
WIT: Bitte beschreibe eine herausfordernde Situation, der du in deinem Beruf in der Vergangenheit begegnet bist.
Aza: In meinem Beruf muss ich fast jeden Tag mit Herausforderungen kämpfen. Letztens war es ein Bot, den ich von anderen Entwicklern übernommen habe. Alles sah gut aus, bis ich versucht habe den Bot im Produktivsystem zu transportieren, dann stellte ich riesen Unterschiede zwischen Test- und Prod-Systemen fest. Ich hatte aber Glück, dass ich sehr erfahrenen und technisch fitten Projektleiter habe, der die Situation verstanden hat und mir die Zeit gegeben ohne Druck und Eskalation die Änderungen zu machen. Jetzt ist der Bot live, wir sind noch in der Stabilisierungsphase, aber der Bot macht was er soll 🙂
WIT: Wohin möchtest du dich zeitnah beruflich und persönlich weiter entwickeln?
Aza: Ich will in der Zukunft mehr Verantwortung übernehmen und selbst die Projekte leiten, strategische Entscheidungen treffen und die Anzahl der Frauen in leitenden Positionen steigern. In dem ich es selbst mache und andere motiviere.
WIT: Wer sind deine persönlichen oder beruflichen Role Models?
Aza: Die erste Person ist mein Mann- er hat so viel erreicht, so viel Erfahrung gesammelt und er ist einer der besten Chirurgen in Berlin. Und trotzdem hört er nie auf zu lernen. Er liebt seinen Job und kümmert sich um seine Patienten so gut, dass durch die Empfehlungen die Patienten aus ganz Deutschland extra zu ihm kommen.
Und die zweite Person ist Kenza Ait Si Abbou. Ich finde diese Frau so smart und talentiert und dabei ist sie gar nicht arrogant oder aufgeblasen. Sie ist kompetent und menschlich.
Ich bin am 1.08 bei Geek Girls – Livecast als Gast dabei. Freue mich, euch als Zuschauer zu sehen. Weitere Infos könnt ihr unter diesem Link finden: wearegeekgirls.de/
WIT: Vielen Dank für das Interview, Aza!