In den letzten Jahren saßen viele von uns Zuhause und irgendwie musste die Zeit totgeschlagen werden, wenn es sonst nichts zu tun gab und man sich zum x-ten Mal durch die Netflix Serien gebinged hatte. Einige haben angefangen zu Stricken, zu Häkeln, zu Nähen oder sonst irgendeine Handarbeit auszuprobieren. Auch ich habe mich im vergangnen Jahr einem neuen Hobby gewidmet: dem Spitzenklöppeln.
Aber was hat das alles mit Technik zu tun? Well, let me tell you…
Vielleicht hast du selbst schon einmal Stricken oder Häkeln ausprobiert? Sicher weißt du dann, dass es beim Stricken linke und rechte Maschen gibt, die Nadelstärke, Fadendicke und – länge wichtig sind und man Maschen und Reihen zählen muss? Und genau da fängt die Technik an: Eine Reihe eines Strickmusters besteht aus 0en und 1en (rechten und linken Maschen) in einer bestimmten Reihenfolge. Genau wie ein Computer entsteht durch das aneinanderreihen dieser 0en und 1en ein Muster, das erst im Gesamtbild Sinn ergibt. Ebendieses binäre System macht Stricken zu einer programmierbaren Handarbeit und Strickmaschinen funktionieren genau so, indem man die einzelnen Nadeln auf links oder rechts “programmiert”.
Ähnlich ist es beim Sticken: Man zählt immer die Anzahl der zu bestickenden Kreuzchen und arbeitet diese reihenweise ab, um am Ende ein Gesamtkunstwerk zu erzeugen. Auch beim Häkeln geht man Reihe um Reihe vorwärts, nur dass es hier ein wenig komplexer mit den Mustern wird, je nachdem an welchen Stellen und von welcher Seite man die Maschen verbindet.
Nähen ist noch einmal eine Stufe weiter, denn hier wird ein dreidimensionales Element in zweidimensionale Stücke zerlegt, um diese mithilfe von Stoffen wieder zu einem dreidimensionalen Kleidungsstück zusammenzusetzen. Die Logik geht hier eine Ebene weiter, denn man muss sich aus den Puzzleteilen mit räumlichem Vorstellungsvermögen das Gesamtkunstwerk vorstellen. Charles James hat diese Mathematik in die Haute Couture gebracht, seine Kleidungsstücke sind architektonische Meisterwerke! Er hat Modedesign so mathematisch gemacht, dass seine Zeitgenossen ihn teilweise für einen Spinner hielten. Wer allerdings selbst schon einmal Schnittmuster konstruiert hat, der weiß wie mathematisch dieses Handwerk ist. Die Geometrie wird hierbei in Bahnen gelenkt, die wir im Matheunterricht nicht einmal annähernd kennengelernt haben! Und da sind wir noch weit entfernt vom Tangram oder Tetris, das sich Zuschneiden nennt. 😉
Kommen wir also zu meinem neuesten Hobby – Spitzenklöppeln. Es ist ein uraltes Handwerk, das leider schon sehr in Vergessenheit geraten ist. Dabei ist es ein so entspannendes und – wie ich finde – leicht zu erlernendes! Die Logik hinter den Mustern ist erstaunlich einfach und gleichzeitig unglaublich vielfältig. Beim Klöppeln sind wir wieder im zweidimensionalen Raum, die Abfolge ist nicht immer reihenweise aber dennoch besteht sie immer aus zwei Prozessen: Kreuzen und Drehen. Man kann sich also Klöppeln vorstellen wie ein Computerprogramm mit Loops und Wiederholungen – zumindest läuft es in meinem Developer-Gehirn genau so ab. Wenn man diese Logik – wie eine Programmiersprache – begriffen und gelernt hat, dann erkennt man in den Mustern bereits den “Code”, bevor man sich die Anleitung dazu durchliest.
Auch das Klöppeln wurde durch die Industrialisierung zu einem maschinellen Handwerk, das dadurch leider viel an seiner Schönheit und Einzigartigkeit verloren hat, denn es gibt einige Muster, die von Maschinen nunmal nicht umgesetzt werden können.
Fazit
Handarbeit hat genau so viel mit Logik zu tun wie beispielsweise Software-Entwicklung. Noch dazu haben wir es hierbei mit etwas Haptischen zu tun, was für das menschliche Gehirn soetwas wie ein Ultra-Booster für das Erlernen neuer Fähigkeiten ist. Auch beim Handarbeiten brauchen wir einiges an mathematischen und logischen Fähigkeiten, es gibt also keine “ich kann kein Mathe” Ausrede, wenn du gerne bastelst oder mit den Händen werkelst! Das nächste Mal, wenn du die Stricknadeln in die Hand nimmst, beobachte die logischen Abfolgen und denk darüber nach, ob sich das in Computer-Logik übertragen lässt.
Auch wenn wir früher in der Schule den Handarbeitsunterricht gehasst haben (ja, auch ich!), ist es eine gute Möglichkeit angewandte Logik und Mathematik zu erleben. Aber es muss ja nicht unbedingt in der Schule sein, Hobbies machen schließlich mehr Spaß, wenn man es aus Eigeninteresse erlernt und nicht, weil man dazu gezwungen wird.
Ich jedenfalls genieße die Handarbeit als etwas, das mit entspannt und das meine Konzentration auf logische Abfolgen lenkt, die gleichzeitig ein schönes Muster hervorbringen! Mal ganz abgesehen von dem Stolz, den ich nach der Fertigstellung eines Werkstücks empfinde – was übrigens ein genau so gutes Gefühl ist, wie eine fertig programmierte Webseite zu launchen! 😀