WIT: Hallo, Lisa, Bitte erzähle uns doch einmal kurz von dir persönlich
Lisa: Ich heiße Lisa, bin 29 Jahre alt und wohne in der Nähe von Frankfurt. Ich koche für mein Leben gern, glaubt man dem Urteil meines Mannes, kann ich das auch ganz gut. Und bei einem leckeren Essen darf für mich ein schöner Wein nicht fehlen. Neben dem Kochen ist die Natur ein großer Ausgleich für mich. Ich wandere sehr gerne alpin, ein schöner Waldspaziergang ist aber auch nicht zu unterschätzen.
Und darüber hinaus bin ich in meiner Freizeit in Netzwerken aktiv, die sich für mehr Frauen in der Technik einsetzen, sowie als Coachin und Autorin für Themen der Informationssicherheit.
WIT: Was machst du beruflich?
Lisa: Ich arbeite als Senior Consultant im strategischen IT Management.
WIT: Was genau versteckt sich hinter deiner Berufsbezeichnung?
Lisa: Ich denke unter dem Stichwort „Unternehmensberaterin“ können wir uns alle ein ungefähres Bild machen. Spannend wird ja eher das strategische IT Management. Ich bin quasi Expertin für alle Themen, die die unternehmerische Informationssicherheit, Compliance und Governance betreffen. Und wenn wir noch ein bisschen mehr ins Detail gehen, kann ich erzählen, dass ich Unternehmen dabei berate, mit welchen Standards und Normen eine sichere IT etabliert werden kann und welche Prozesse dazu notwendig sind. Und dabei spielt es keine Rolle, ob sich ein Unternehmen regulatorischen Anforderungen unterwerfen muss oder nicht. Eine sichere IT ist heutzutage nämlich für jedes Unternehmen unabdingbar.
Dabei ist mir allerdings die Komponente „Mensch“ besonders wichtig. Denn wir als Mitarbeitende sind ja letztendlich die, die die Technik bedienen. Das tolle an meinem Job ist also, dass ich mich nicht nur um Technik, sondern auch um den Menschen hinter der Maschine kümmern kann. Quasi ein Gleichgewicht zwischen Mensch, Technik und Organisation.
WIT: Wie bist du dazu gekommen, einen technischen Beruf zu wählen?
Lisa: Eigentlich war das gar nicht der Plan. Ich habe Staatswissenschaften studiert und wollte dann zum Auswärtigen Amt. Nach meinem Studium habe ich aber tatsächlich aus Neugierde bei einem Start Up von Freuden angefangen zu arbeiten. Dieses Start Up drehte sich rund um Crowdfunding Projekte über White Label Plattformen und die Finanzierung dahinter. Meine Aufgabe war es, den Kunden die Technik hinter den White Label Plattformen verständlich rüber zu bringen, damit diese ihre Projekte für überwiegend nachhaltige Energiegewinnung umsetzen konnten. Schon damals, und das ist mir heute erst richtig bewusst, hat mir die Vermittlung zwischen Menschen und Technik super viel Spaß gemacht. Deshalb bin ich heute umso dankbarer einen Job zu haben, der mir so viel Spaß macht und Gestaltungsspielraum erlaubt.
Mit dieser Start Up Erfahrung habe ich mich dann auf dem Arbeitsmarkt umgesehen und mich für den Weg der Unternehmensberaterin entschieden. Die Vielfalt der Projekte und Kunden, die ich kennenlernen durfte, haben mir gezeigt, dass ich mich weiterhin mit Technik, aber im strategischen Sinne, beschäftigen möchte. Und so bin ich heute Expertin für Themen rund um Informationssicherheit, Compliance sowie Governance und bereue seitdem nicht einen Tag dem Auswärtigen Amt den Rücken gekehrt zu haben.
WIT: Wer oder was hat dich am meisten inspiriert, einen technischen Beruf zu wählen?
Lisa: Ich bin ganz ehrlich. Als ich 2015 anfing zu arbeiten, habe ich mir wenig Gedanken um Vorbilder gemacht. Ich bin einfach meiner inneren Motivation gefolgt und bin bis heute dankbar ein Umfeld gehabt zu haben, dass mich in diesem Vorgehen bestärkt hat. Damals hatte ich berufliche Netzwerke noch nicht so auf dem Schirm und habe auch irgendwie in meinem eigenen Universum gelebt.
Heute ist das für mich ganz anders. Für mich sind LinkedIn & Co. voll von inspirierenden Menschen, die mich jeden Tag aufs Neue anspornen meinen Weg weiterzugehen, meine Träume und Ziele zu verfolgen und auch mein Umfeld mit auf diesen Weg zu nehmen. Vor allem Frauen, allen voran Tijen Onaran, Lea Sophie Cramer oder Verena Pausder, zeigen uns jungen Mädchen, Berufsanfängerinnen und gestandenen Berufsexpertinnen jeden Tag aufs Neue, was wir Frauen in der IT, aber auch darüber hinaus, bewegen und bewirken können.
WIT: Hat dich Technologie und/oder Programmieren schon immer interessiert?
Lisa: Technologie fand ich schon immer spannend, ja. Ich weiß noch, als ich in der Grundschule war, bekamen wir zu Hause unseren ersten Computer. Obwohl ich noch ein kleines Kind war, habe ich mich mit den Funktionalitäten eines Computers sehr gerne beschäftigt und konnte schon bald meinen Eltern erklären wie dieser weiße Kasten überhaupt funktioniert.
Das ging dann immer so weiter, die Smartphone Technologie hat mich komplett vom Hocker gehauen. Ich musste immer gleich alles ausprobieren und habe mir alles immer selbst angeeignet.
Heute ist das wahrscheinlich selbstverständlich. Kinder haben schon in der Schule Computer Unterricht. Ich hatte das damals nicht, sondern irgendwie ging man einfach davon aus, dass wir das schon irgendwie können.
WIT: Haben deine Eltern und Lehrer deine Vorliebe und dein Interesse für Technik gefördert?
Lisa: Meine Eltern haben immer ihr möglichstes getan mich zu fördern und mir die Möglichkeit gegeben meinen Interessen nachkommen zu können. Auch damals schon waren Computer und Handys teuer, daher sicherlich keine Selbstverständlichkeit. Damals kostete Surfen im Internet pro Minute noch Geld. Und trotzdem durfte ich im Internet nach Informationen suchen, mir Videos anschauen, usw. Gut, ehrlich gesagt, hat meine Mutter irgendwann den Stecker gezogen, das war’s dann mit Surfen, ICQ und Co.
Meine Eltern haben mich auch nach dem Studium immer weiter in meinem Interesse für Technik bestärkt, mir Mut gemacht in einer Männerdomäne mich durchzusetzen und auch Niederlagen zu überstehen.
Für Lehrer war damals die Technik meines Erachtens eher noch ein Störenfried.
WIT: Was gefällt dir an deiner Tätigkeit am meisten?
Lisa: Ich finde es toll eine Art „Übersetzerin“ zu sein. Was meine ich damit? In Projekten habe ich nicht nur mit der Führungsebene zu tun, sondern auch immer wieder mit der IT Abteilung. Die IT setzt ja letztendlich um, was auf dem papier beschlossen wurde. Zwischen Führungsebene und IT Abteilung herrscht allerdings oft ein Verständnisproblem, da die eine Seite nicht immer genau nachvollziehen kann, was die andere Seite tut. Ich als Übersetzerin, da ich beide Seiten kenne und verstehe, kann vermitteln und letztendlich bewirken, dass alle an einem Strang ziehen.
Mir gefällt auch, dass meine Herangehensweise als Frau immer mehr geschätzt und gefördert wird. Diese Herangehensweise ist nicht besser als die von Männern, das möchte ich damit nicht sagen, aber über die Jahre habe ich festgestellt, dass wir Frauen ab und an doch etwas umsichtiger an Projekte und Problemstellungen herangehen.
WIT: Was ist für dich das Schönste an deinem Arbeitsalltag?
Lisa: Ganz eindeutig die Flexibilität. Ich bin selbst dafür verantwortlich, dass ich meine Projektaufgaben und auch interne Aufgaben erledige. Mikromanagement ist der Feind für mich. Es bestärkt mich in meiner Arbeitsweise zu wissen, dass mir der Freiraum gegeben wird, mir meinen Tag selbstständig zu strukturieren und ich auch die Verantwortung dafür habe, meine Aufgaben erfolgreich zu erledigen.
WIT: Wo findet man dich in der Freizeit am ehesten?
Lisa: In der Küche oder beim Sport.
WIT: Welche Botschaft möchtest du Frauen oder Mädchen mitgeben, die sich für Technik interessieren?
Lisa: Wir haben vorhin ja schon über Inspirationen gesprochen. Ich finde Inspirationen wichtig, weil sie uns einen Weg aufzeigen können. Das reicht aber meines Erachtens noch nicht. Eine Perspektive zu haben ist wichtig, aber an der Umsetzung hapert es ja ab und an. Daher ist für mich das kleine Wörtchen „Mut“ so wichtig. Wir Frauen, wir Mädchen brauchen Mut unseren Weg zu gehen. Mut ist ein Mindset. Das ist ganz wichtig. Mut wagen und umsetzen. Wir brauchen Mut unsere Wünsche und Ziele in die Tat umzusetzen, dann bin ich überzeugt, dass uns keiner aufhalten kann!
WIT: Welchen Ratschlag verfolgst du bis heute?
Lisa: Meine Mutter hat immer zu mir gesagt „Lisa, du bist für dich selbst verantwortlich – nicht die anderen“. Als Kind waren für mich immer die anderen dran schuld, wenn es mir nicht gut ging oder ich nicht das bekam, was ich gerne wollte. Meine Wünsche, Träume und Ziele erreiche ich nicht, in dem ich andere dafür verantwortlich mache und ihnen die Verantwortung in die Schuhe schiebe, wenn es mal nicht so klappt, wie ich mir das vorgestellt habe. Ich bin für mich verantwortlich, das heißt ich bin für meine Erfolge verantwortlich, die ich feiern darf. Ich bin aber auch für meine Niederlagen verantwortlich, aus denen ich lernen muss.
WIT: Welchen Herausforderungen begegnest du speziell als Frau in deinem Beruf?
Lisa: Sehe ich aus wie der typische Unternehmensberater? Nein. Ich bin 29 Jahre alt, blond und eine Frau. Ich würde Seiten füllen, wenn ich alle Erlebnisse erzählen würde, mit denen ich bisher, weil ich eine Frau bin, in meinem Beruf konfrontiert war.
Häufig begegne ich heute noch dem Umstand, dass Kunden männlichen Unternehmensberatern Kompetenz zuschreiben und mich als Frau eher als Mitläuferin sehen. Selbst wenn ich die Projektleitung bin und mein Kollege Projektmitarbeitender ist. Ich habe daher häufig das Gefühl, dass ich mir Anerkennung viel mehr erarbeiten muss, als es teilweise männliche Kollegen müssen. Das heißt ich muss deutlich öfter noch eine „Extrameile“ gehen, um meine Kompetenz unter Beweis zu stellen.
Glücklicherweise arbeite ich heute in einem Umfeld, in dem mich meine Chefs und Kollegen an meiner Persönlichkeit und Arbeitsleistung messen und nicht an meinem Geschlecht. Dafür bin ich sehr dankbar, denn auch heute ist das leider nicht selbstverständlich.
WIT: Welche Tipps hast du für Bewerbungsgespräche für technische Positionen?
Lisa: Rechtfertige Dich nicht, für Bedürfnisse und Wünsche, die Du im Job hast. Hab den Mut zu zeigen wer Du bist und was Du kannst. Meines Erachtens spielt es keine Rolle, ob Du dich für eine technische oder nicht technische Position in der IT bewirbst. Sei selbstbewusst und zeig, was Du kannst, dann bist Du unschlagbar!
WIT: Frauen in technischen Berufen sind ja leider noch eine Minderheit. Was sind deine Gedanken zu diesem Thema?
Lisa: Ich finde das sehr schade und setze mich auch in verschiedenen Netzwerken für mich Frauen in der IT ein. Meines Erachtens ist es ein Gewinn in diversen Teams zu arbeiten und die Vorteile daraus zu nutzen. Aus meiner Erfahrung führen diverse Teams zu effizienteren und nachhaltigeren Ergebnissen und auch zu weniger Rivalität untereinander. Wir kennen alle die Studienlage und wissen, dass Frauen beispielsweise risikoaverser und umsichtiger als Männer sind. Darauf möchte ich gar nicht näher eingehen.
Aus meiner persönlichen Erfahrung möchte ich vielmehr berichten, dass ich so gerne mehr Frauen einstellen würde, wir suchen händeringend nach tollen Frauen, die Lust haben in der IT Fuß zu fassen. Nur leider finden wir keine. Das Angebot ist groß, die Nachfrage aber eher gering. Es ist richtig, dass zwischen Männern und Frauen noch ein Gehaltsdefizit liegt. Um das zu ändern, liegt es aber auch stark an uns Frauen für Veränderung zu kämpfen und Missstände immer wieder anzusprechen.
Hier komme ich also wieder auf den Ratschlag meiner Mutter zurück – du bist für dich verantwortlich, nicht die anderen. Female Empowerment ist eine großartige Sache und wird zum Erfolg führen, da bin ich ganz sicher. Mir ist es wichtig bei diesem Thema auch an uns Frauen zu appellieren nicht darauf zu warten, dass eine tolle Gelegenheit vor unseren Füßen liegt. Steht für Euch selbst ein, zeigt was Ihr könnt und dann wird das ganz von alleine!
WIT: Was verbindet dich mit Frauen in der Technik?
Lisa: Ich finde den Zusammenhalt und die Unterstützung von Frauen in der Technik einzigartig. Auf diversen Kongressen, Veranstaltungen und Tagungen habe ich bisher so tolle Frauen kennenlernen dürfen, die auch ihren Weg in der IT gegangen sind. Und all diese Frauen stehen immer Rede und Antwort, unterstützen mit Tipps und Tricks und geben Wissen weiter, dass ihnen einmal geholfen hat.
WIT: Bitte beschreibe eine herausfordernde Situation, der du in deinem Beruf in der Vergangenheit begegnet bist.
Lisa: Als Beraterin muss ich zwei Verantwortungen gerecht werden – der Verantwortung gegenüber meinem Team, meinem Arbeitgeber und der Verantwortung gegenüber meinem Kunden. Solange alle an einem Strang ziehen und die gleichen Interessen verfolgen (gemeinsam ein erfolgreiches Projekt durchführen) ist diese Waage leicht im Gleichgewicht zu halten. Sobald Interessen divergieren, gerät diese Waage allerdings sehr schnell ins Ungleichgewicht.
Diese sogenannte Ellenbogenmentalität zerstört jedes Projekt und jedes Teamgefüge. Wir Frauen sind erwiesenermaßen Herdentiere und fühlen uns im Team am wohlsten, unsere Komfort Zone also. Männer hingegen sind eher Einzelkämpfer bzw. stark hierarchisch geprägt.
So war es nun meine Aufgabe ein aus dem Gleichgewicht geratenes Projekt mit einem Ellenbogenkämpfer wieder ins Gleichgewicht zurückzubringen und gleichzeitig meinen beiden Verantwortungen weiterhin gerecht zu werden. Was soll ich sagen…ich bin gescheitert. Fehlende Rückendeckung und Loyalität sowie eine hidden Agenda haben es mir nicht möglich gemacht das Projekt wieder in die richtigen Bahnen zu leiten. Ich bin lange mit mir ins Gericht gegangen, was habe ich falsch gemacht, was hätte ich besser machen können? Ich habe meine Lehren gezogen und dieses toxische Arbeitsumfeld verlassen.
WIT: Wohin möchtest du dich zeitnah beruflich und persönlich weiter entwickeln?
Lisa: Im Moment bin ich in erster Linie verantwortlich für erfolgreiche Projekte. Natürlich gehört es da auch dazu mein Team zu coachen und den Überblick zu behalten, dass alle Aufgaben erledigt werden. Für die Zukunft wünsche ich mir auch noch mehr Verantwortung für die Menschen in meinem Team. Ich konnte in meinem Berufsleben bisher sehr viel mitnehmen, Vieles davon hat mich weitergebracht, einiges aber auch nicht. Manches habe ich vermisst und das möchte ich als Führungskraft einmal besser machen und an mein Team weitergeben. Ich als Mensch entwickle mich täglich weiter, lerne mich neu oder anders kennen, je nach Situation, der ich begegne. Ich möchte mich auch künftig weiterhin in meiner Stärke entwickeln, durchzusetzen, was ich mir wünsche und für das einzusetzen, wofür ich stehe.
WIT: Wer sind deine persönlichen oder beruflichen Role Models?
Lisa: Es gibt so viele tolle Menschen, die mich mit dem, was sie sagen, inspirieren. Heute mag es vielleicht Michelle Obama sein, morgen Simon Sinek und übermorgen eine Arbeitskollegin. Gerade lese ich das Buch „50 Sätze, die das Leben leichter machen“ von Karin Kuschik. Absolut lesenswert!
WIT: Vielen Dank für das Interview, Lisa!
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