WIT:Hallo, Marlene, Bitte erzähle uns doch einmal kurz von dir persönlich
Marlene: Ich bin 46 Jahre alt, verheiratet, habe zwei Kinder (14, 16), lebe in Bochum.
WIT: Was machst du beruflich?
Marlene: Ich leite den Bereich Smart City bei der Stadt Gelsenkirchen.
WIT: Was genau versteckt sich hinter deiner Berufsbezeichnung?
Marlene: Ich leite ein Team von Projektleiterinnen und Projektleitern, die Digitalisierungsprojekte im Bereich der Stadtentwicklung umsetzen. Das bedeutet, mit Mitteln der Digitalisierung strategische Ziele der Stadt umzusetzen, wie zum Beispiel Nachhaltigkeit und Klimaanpassung.
Außerdem bin ich für die integrierte Digitalstrategie verantwortlich, d.h., für die Planung der Digitalprojekte, die in den nächsten Jahren die strategischen Ziele der Stadt unterstützen sollen.
WIT: Wie bist du dazu gekommen, einen technischen Beruf zu wählen?
Marlene: Ich würde sagen, dass mein Wunsch, mich für Nachhaltigkeit und eine bessere Welt einzusetzen, gepaart mit meinem Drang zu lernen, dazu beigetragen haben. Ich habe als Diplom-Geografin zunächst im Bereich Stadtplanung und Stadtentwicklung für die Stadt Kassel gearbeitet, und mich dann besonders für das Thema nachhaltige Mobilität interessiert.
Als wissenschaftliche Mitarbeiterin, zunächst beim ILS in Dortmund, dann bei Rupprecht Consult in Köln, habe ich in immer komplexeren Projekten zu diesem Thema geforscht, bzw. Projekte entwickelt und koordiniert. Das Thema Mobilität ist sehr interdisziplinär – ich habe in diesem Kontext die Scheu vor Technik verloren, sondern mich immer wieder neu eingearbeitet: in Themen wie erneuerbare Energien, Wasserstoff, wie Daten für die nachhaltige Verkehrsplanung genutzt werden können, Kreislaufwirtschaft…
Auch in meinem aktuellen Job als Leiterin des Bereichs Smart City bei der Stadt Gelsenkirchen bin ich immer wieder gefordert dazu zu lernen: zu IoT, Datenplattformen, künstlicher Intelligenz…
WIT: Wer oder was hat dich am meisten inspiriert, einen technischen Beruf zu wählen?
Marlene: Ich habe festgestellt, dass meine Art vernetzt zu denken und unterschiedliche Ideen und Systeme zu verbinden, und mir dabei immer wieder neue Themen zu erschließen, einen Mehrwert für die Entwicklung und Umsetzung innovativer Projekte darstellt.
Es macht ganz einfach Spaß, die Welt der Stadtentwicklung mit der Welt der Technik zu verbinden, und dabei kreativ zu sein.
WIT: Hat dich Technologie und/oder Programmieren schon immer interessiert?
Marlene: Nein. Das Interesse ist erst mit der Zeit gewachsen.
WIT: Haben deine Eltern und Lehrer deine Vorliebe und dein Interesse für Technik gefördert?
Marlene: Mein Vater war Mathe- und Informatiklehrer, und hat sicherlich als Vorbild gewirkt.
WIT: Was gefällt dir an deiner Tätigkeit am meisten?
Marlene: Mit anderen Menschen Datenanwendungen entwickeln, die die Stadt nachhaltiger machen.
WIT: Was ist für dich das Schönste an deinem Arbeitsalltag?
Marlene: Aktuell bin ich glücklich, mit meinem Team ein Forschungszentrum für KI in der Stadtentwicklung auszuschreiben, mit dem Ziel, KI-basierte Lösungen für nachhaltige und resiliente Städte zu entwickeln.
WIT: Wo findet man dich in der Freizeit am ehesten?
Marlene: Lesend, joggend, mit meiner Familie und Freunden Zeit verbringend, oder unterwegs mit unserem Hund…
WIT: Welche Botschaft möchtest du Frauen oder Mädchen mitgeben, die sich für Technik interessieren?
Marlene: Ihr werdet euch manchmal seltsam fühlen, weil ihr von Männern umringt seid. Begreift das, was ihr mitbringt, als Vorteil: die weibliche Perspektive – sei es die Nutzerinnen-Perspektive, die Bürgerinnen-Perspektive, oder auch die Perspektive auf die Bedürfnisse von Kindern – ist sehr, sehr wichtig.
WIT: Welchen Ratschlag verfolgst du bis heute?
Marlene: Wenn du das Bedürfnis hast alles hinzuwerfen, heißt das, dass du Ruhe und Erholung brauchst. Nicht, alles hinzuwerfen.
WIT: Welchen Herausforderungen begegnest du speziell als Frau in deinem Beruf?
Marlene: Es spielt immer eine Rolle, dass ich eine Frau bin.
WIT: Welche Tipps hast du für Bewerbungsgespräche für technische Positionen?
Marlene: Werde dir des Mehrwertes bewusst, den du einer Organisation bieten kannst. Das kann gerade und vor allem eine andere Art zu denken oder Dinge wahrzunehmen sein.
WIT: Frauen in technischen Berufen sind ja leider noch eine Minderheit. Was sind deine Gedanken zu diesem Thema?
Marlene: Meine Tochter ist 14 und bewirbt sich für ein internationales Austauschprogramm zum Thema MINT und gesellschaftlichem Engagement. Ich glaube, dass viele Mädchen und Frauen über letzteres einen Zugang zu MINT bekommen können, so wie ich, oder wie auch meine Tochter…
WIT: Was verbindet dich mit Frauen in der Technik?
Marlene: Wir sind wichtig, um ganz normalen Mädchen und Frauen Mut zu machen, diese Welt als eine Chance für sich und ihre Zukunft zu sehen.
WIT: Bitte beschreibe eine herausfordernde Situation, der du in deinem Beruf in der Vergangenheit begegnet bist.
Marlene: Eine Aussage bei einem Vorstellungsgespräch: „Diesen Job werden Sie als Arztfrau und Mutter nicht schaffen!“ (… ich wurde genommen, und habe alle Erwartungen übertroffen).
WIT: Wohin möchtest du dich zeitnah beruflich und persönlich weiter entwickeln?
Marlene: Ich will ganz klar weiter Tech-Projekte vorantreiben, die Städte nachhaltig machen.
Außerdem will ich Mütter und Frauen darin unterstützen, ihr Potenzial umzusetzen – sei es in der Tech-Welt, oder in anderen Welten. Zu diesem Zweck absolviere ich zurzeit eine nebenberufliche Ausbildung als Business Coach.
WIT: Wer sind deine persönlichen oder beruflichen Role Models?
Marlene:
J.K. Rowling
Angela Merkel
Zwei Frauen, die auf sehr unterschiedliche Art mit ihren einzigartigen Stärken zahlreiche Hindernisse überwunden haben.
WIT: Vielen Dank für das Interview, Marlene!