WIT: Hallo, Wiebke, Bitte erzähle uns doch einmal kurz von dir persönlich
Wiebke: Unternehmensberaterin in Bauernhof-WG. Mama und Executive Coach. Mit einer Schwäche für große Maschinen und Sicherheitsschuhe, Glitzerpumps und Gummistiefel für Gassi-Runden im Matsch.
Die Frage, was ich tue ist nicht so einfach zu beantworten. Alles, nur kein Standard beschreibt es ganz gut.
WIT: Was machst du beruflich?
Wiebke: Gute, datengetriebene Projekte sind kein IT Projekt. Es sind in erster Linie Change-Projekte, bei denen Fragen nach Sinnhaftigkeit, Fit und Kultur ganz vorne stehen. Ich kümmere mich darum, Maßnahmen von Strategie und Situation abzuleiten, und die Menschen im Projekt so zu unterstützen, dass sie ihr volles Potential entfalten können.
WIT: Was genau versteckt sich hinter deiner Berufsbezeichnung?
Wiebke: Als Titel haben wir „Head of Data Strategy“ ausgesucht. Aber was ist schon ein Titel? Meine Aufgabe ist es, Datahearts als Tochter und Beratungs-Arm der Statsoft GmbH auf die Strasse zu bekommen.
Außerdem führe ich meinen kleinen Hof und bin Dozentin bei der ISM Hamburg.
WIT: Wie bist du dazu gekommen, einen technischen Beruf zu wählen?
Wiebke: Es ist mir eine körperliche Qual Dinge zweimal zu tun. Außer sie machen an sich Freude, wie Wein trinken zum Beispiel. Also habe ich oft lieber vier Stunden versucht herauszubekommen, wie etwas automatisch geht statt es in 30 Minuten zweimal zu machen. So kam ich zu VBA, damit zur BCG und dort immer auf Positionen zwischen Business und Tech. Ein spannender Ort.
WIT: Wer oder was hat dich am meisten inspiriert, einen technischen Beruf zu wählen?
Wiebke: Prototypen zu basteln fand ich zeitweise fast unethisch. Weil ich dafür bezahlt wurde, große Sudokus zu lösen. Irgendwie frech, oder?
Es hat einfach riesig Spaß gemacht. Später kam der Wunsch dazu, mehr Wirkung zu erzielen, deswegen habe ich mich um mehr Nähe zum Business bemüht. Das ist ein toller Mix und begeistert mich sehr.
WIT: Hat dich Technologie und/oder Programmieren schon immer interessiert?
Wiebke: Programmieren war für mich immer nur Mittel zum Zweck. Ich fand es aber auch nie besonders schwer. Viel einfacher als zum Beispiel eine Fremdsprache lernen. Man muss ja nur lesen und schreiben, nicht sprechen. Und im schlimmsten Fall rennt eine Schleife mal im Kreis. So what?
Ich weiß aber auch, dass ich mit der Einstellung nie zur Premium-Programmiererin geworden wäre. Andere können das einfach besser.
WIT: Haben deine Eltern und Lehrer deine Vorliebe und dein Interesse für Technik gefördert?
Wiebke: Nein, meine Mutter ist MTA, hat erst nach mir studiert. Mein Vater ist Schlosser. Das war bei uns nie ein Thema.
WIT: Was gefällt dir an deiner Tätigkeit am meisten?
Wiebke: Ich finde es faszinierend, wenn ein Team nach anfänglichem Zögern Feuer fängt.
Ich werde zum Beispiel nie den Ingenieur vergessen, der anfangs sagte: „Das mit dem AI, das ist mir zu kompliziert!“ „Aha, und was machst du nochmal in deiner Freizeit?“ „Ich bastel Roboter.“
Naja, mittlerweile macht er das mit links und weiß das auch.
WIT: Was ist für dich das Schönste an deinem Arbeitsalltag?
Wiebke: Eine knifflige Fragestellung bekommen und mit Denken, auch durchaus im philosophischen Rahmen, herauszufinden wie sie sich lösen lässt.
Was sollen wir tun? Wie? Womit und Wann.
WIT: Wo findet man dich in der Freizeit am ehesten?
Wiebke: Freizeit ist ein seltsames Wort. Wenn ich nicht mit Daten arbeite, dann bin ich wahrscheinlich mit Kind und Hund auf dem Hof unterwegs. Wahrscheinlich buddeln wir drei zusammen oder unabhängig von einander Löcher oder schütten sie zu.
WIT: Welche Botschaft möchtest du Frauen oder Mädchen mitgeben, die sich für Technik interessieren?
Wiebke: Wenn ihr auf etwas Lust habt, dann macht es. Wenn ihr auch noch etwas Angst davor habt, dann erst recht. Meine besten Entscheidungen waren nie die vernünftigen, sondern immer die Aufregenden mit ordentlich Muffensausen.
WIT: Welchen Ratschlag verfolgst du bis heute?
Wiebke: – „Gehe nur in die Konflikte, die wirklich wichtig und zu gewinnen sind.“
– „Wenn du einen Hund willst, dann ist das nicht zu ändern und muss so sein.“ Den hab ich mir selbst gegeben.
– Die Liebe und den Tod. Alles andere ist Mumpitz.“ Marcel Reich-Ranicki. Er meinte das zwar zur Literatur, ist aber so wichtig im Leben das als Skala zu haben. Ich wünsche mir viel mehr Liebe überall.
WIT: Welchen Herausforderungen begegnest du speziell als Frau in deinem Beruf?
Wiebke: Es ist wirklich schwerer je weiter nach oben man kommt. Die Herren hören mir gern zu, und gerade dort wo es sehr wenige Frauen gibt bekommt man erstmal jedes Gespräch. Bei internen Entscheidungen und Machtfragen ist es wirklich extrem schwer und auch frustrierend.
WIT: Welche Tipps hast du für Bewerbungsgespräche für technische Positionen?
Wiebke: Macht Euch weniger Sorgen. Das fachliche ist immer machbar, wichtiger ist, dass ihr Euch selbst traut und auch mal „Ja klar, das kann ich!“ Sagt, wenn ihr „Keine Ahnung, aber ich finde schon raus wie das geht“ meint. Das schafft ihr nämlich locker.
WIT: Frauen in technischen Berufen sind ja leider noch eine Minderheit. Was sind deine Gedanken zu diesem Thema?
Wiebke: Ich denke, Frauen haben hier riesiges Potential. Das Image der Branche schreckt vielleicht ab. Ich kann aber sicher sagen: Wir sind hier Willkommen und es ist einfach eine faszinierende und begeisternde Branche.
WIT: Was verbindet dich mit Frauen in der Technik?
Wiebke: Ich freue mich persönlich über jede einzelne Erfolgsgeschichte und genieße auch den Austausch mit Gleichgesinnten. Es ist manchmal echt nicht leicht, sich dafür genug Zeit zu nehmen, dabei ist es so wichtig. Ich gelobe Besserung!
WIT: Bitte beschreibe eine herausfordernde Situation, der du in deinem Beruf in der Vergangenheit begegnet bist.
Wiebke: Ich weiß nicht mehr, wer es gesagt hat. Aber ich denke der Satz :“Jede erfolgreiche Frau hat schonmal auf der Toilette geheult“ ist wahr. Zumindest zu 95%.
Ein Beispiel: Ganz zu Anfang meiner Karriere habe ich mal einen Newsletter mit zwei fiesen Typos verschickt, an 4000 Top Kontakte. Ich hatte in den zwei Jahren vorher immer alles perfekt vorbereitet und nie etwas verbockt, deswegen war die Kundin kulant und wollte nur eine Korrektur. Ich war da aber so wahnsinnig nervös und mit den Nerven runter, dass es gleich nochmal schief lief. Da war die Stimmung dann schon schlechter.
Daraus gelernt habe ich, dass ich, wenn ich wirklich angefasst bin, lieber abgebe und mir helfen lasse. In Panik oder mit Angst ist man einfach nicht in der Lage etwas in Ordnung zu bringen.
Wenn ich so etwas bei Menschen in meinem Team bemerke, gehe ich da auch rein und nehme sie aus dem Druck raus. Das ist für alle besser.
WIT: Wohin möchtest du dich zeitnah beruflich und persönlich weiter entwickeln?
Wiebke: Ich möchte mich gern stärker mit den Grundlagen beschäftigen. Data Vault, Catalogue, die verschiedenen Hyperscaler. Ich bin auch ein großer LowCode Fan und weiß noch zu wenig. Das sind Dinge, die ich nur als BuzzWords verwende. Dabei denke ich, dass hier im Moment mehr Fortschritt liegt als bei ChatGPT & Co. Die habe ich aber auch im Blick.
WIT: Wer sind deine persönlichen oder beruflichen Role Models?
Wiebke: Ich schaue sehr gern zu Janina Kugel und Dr. Sigrid Evelyn Nikutta. Oft sind es aber auch weniger bekannte Frauen aus dem eigenen Umfeld. Die Liste ist endlos. Unbedingt nennen muss ich meine Oma. Einen so positiven Menschen gibt es selten. Oma kann zwar kaum mehr gehen, und das sehen wird auch schlechter, aber sie findet jeden Tag Gründe um glücklich und dankbar zu sein. Und sei es ein lustig hüpfender Vogel vor dem Fenster. Das ist wirklich wunderbar.
Mein berufliches Projekt ist datahearts.io. Hier freue ich mich sehr über Intitativ-Bewerbungen motivierter Daten-Herzen.
Privat schaut euch mal meinen Hof auf Instagram an: www.instagram.com/hausdeich_18…
Hier finde ich wunderbaren Ausgleich und Inspiration von und für die Datenarbeit.
WIT: Vielen Dank für das Interview, Wiebke!