Programmieren war für mich immer eine Art Königsdisziplin. Entwickler und Informatiker waren aus meiner Sicht „Computer-Nerds“, die sich schon in jungen Jahren das Coden selbst beigebracht haben. Ich habe bewusst nicht gegendert, weil besagte IT-ler in meiner Vorstellung immer Männer waren.
Erst durch die Development-Initiative von Microsoft „Skill Her“, die weiterführende Auseinandersetzung mit IT-Themen über die Aufnahme eines Mentoring-Programms als Mentee und das Networking in entsprechenden Gruppen und Vereinen, erkannte ich, dass auch ich als junge Frau, die noch nie die traditionell erste Zeile Code „print(‚Hello World!‘)“ geschrieben hat, in der IT-Branche mitspielen könne.
Mit einem Frauenanteil von nicht mal 20% in der deutschen und österreichischen IT-Branche sind wir noch weit von unserem Ziel und dem Fortschritt in anderen Ländern, wie Bulgarien (28%) und Rumänien (26%), entfernt. Dabei gibt es so viele positive Aspekte, die durch mehr Frauen in MINT-Berufen erreicht werden können. Allgemein tragen diverse Teams (und dazu gehören nicht nur unterschiedliche Geschlechter, sondern auch unterschiedliche Denkweisen) zu einer angenehmen Arbeitsatmosphäre bei und sorgen zum anderen dafür, dass durch vielseitige Denk- und Herangehensweisen bessere und effizientere Ergebnisse erzielt werden.
Diese Erfahrung habe ich bereits im Rahmen meiner Studienzeit gemacht. Je durchmischter das Team, desto bunter und zahlreicher sind die dabei entstehenden Ideen. Diesen Zusammenhang zwischen Diversität und Geschäftserfolg bestätigte eine McKinsey-Studie bereits im Jahr 2018, die zu dem Schluss kam, dass mit einem höheren Grad an Diversität die Wahrscheinlichkeit, überdurchschnittlich erfolgreich zu sein, bei 21% liegt.[1]
Mein Interesse für Technik begann bereits in meiner Kindheit durch technisches Spielzeug und familiäre Einflüsse. Ein entscheidendes Vorbild war mein Vater, der selbst Installateur- und Heizungsbaumeister war, wodurch ich früh mit Tech-Themen in Berührung kam. Ich komme allgemein aus einer sehr handwerklich-technisch geprägten Familie, was meinen Bezug zur Baubranche und meine aktuelle Tätigkeit im Großhandel für Sanitär-, Heizung- und Klimatechnik begründet.
Man muss die Ursache des Problems bekämpfen und Mädchen von klein auf, bereits in der Schule, für Tech begeistern, um die MINT-Kompetenz zu stärken und damit das Vertrauen in die eigenen naturwissenschaftlichen Fähigkeiten. Denn mit einem Alter von 15-16 Jahren werden bei vielen Mädchen und Jungen die ersten Weichen für die weitere Karriere gestellt, indem sie bestimmte Fächer aus- oder abwählen, sich für oder gegen ein Abitur entscheiden oder sich mit ihren Noten für bestimmte Berufe empfehlen – oder eben nicht. Durch die Integration technischer Themen in Form von Projektarbeiten o.ä. in den regulären Schulunterricht, können dort bereits Berührungsängste gegenüber Fächern wie Mathematik und Physik gezielt abgebaut werden, indem Aufmerksamkeit hierfür hergestellt und Neugier geweckt wird.
Mädchen interessieren sich als Kinder genauso für Naturwissenschaften und Technologien wie Jungen. Es liegt also keineswegs daran, dass Mädchen nicht für Technik geeignet wären. Es muss ihnen nur der Weg dahin gezeigt werden.
Darüber hinaus muss das Interesse aufrechtgehalten werden, indem die persönliche Bedeutung des Themas für Mädchen verdeutlicht wird. Die Nützlichkeit und Relevanz von Technik für viele andere Bereiche wie z.B. Solar- und Hybridtechnologien für den Klimawandel oder Techniken zur Wasseraufbereitung für Entwicklungshilfen, kann dazu genutzt werden, um Mädchen an Technik zu interessieren. Technik kann für ein Lebensumfeld auch „gestaltend“ sein und nach Kreativität verlangen.
Punktuelle Initiativen wie der „Girl’s Day“ sind für das Aufrechterhalten des Interesses einfach nicht genug. Allen voran müssen aber auch die Lehrkräfte entsprechend weitergebildet werden und auch die Eltern sind angehalten, das Interesse ihrer Töchter an Zahlen und Technik zu wecken und ihnen Karrierechancen abseits klassischer „Frauenberufe“ aufzuzeigen.
Grundsätzlich gilt aber: Frauen sollten sich öfter trauen, mit Klischees zu brechen, vermeintlich verrückte Wege einzuschlagen und öfter „Ja“ zu großen Herausforderungen zu sagen. Frauen scheinen häufig darauf zu warten, für einen Karriereschritt 100% bereit zu sein, während Männer oftmals nach ihrem Potenzial entscheiden, frei nach dem Motto „das wird schon passen“. So werden z.B. viele Frauen ohne MINT-Hintergrund von der IT abgeschreckt, weil sie annehmen, nicht genug zu wissen, um erfolgreich zu sein oder Frauen mit MINT-Hintergrund Angst haben, in einer noch männerdominierten Tätigkeit unterzugehen. Der Karriereweg in die IT wird also viel zu oft auf Basis falscher Annahmen oder übermäßiger Vorsicht verworfen. Dabei ist der Bereich der IT nur eines von vielen Beispielen. Es geht also vor allem darum, veraltete und hindernde Denkweisen aufzubrechen, damit mehr Frauen in die technischen Berufsfelder einsteigen.
Wir brauchen mehr weibliche Vorbilder, die zeigen, dass die IT oder auch allgemein die Tech-Branche unser „place to be“ ist. Frauen repräsentieren 50% der Bevölkerung, aber nicht mal 20% in den Tech-Branchen dieser Welt. Die Digitalisierung verändert unsere Gesellschaft. Ein Wandel, der nicht aufzuhalten und ohne Frauen für mich undenkbar ist. In ihrem Buch „Unsichtbare Frauen“ beschreibt die britische Autorin Caroline Criado-Perez, wie durch Verzerrungen und Vorurteile „Bias“ in Datenerhebungen die kontinuierliche und systematische Diskriminierung von Frauen weiter verschärft wird. So schreibt Criado-Perez: „Eine Welt, die für alle funktionieren soll, können wir nicht ohne Frauen entwerfen.“[2] Zumal es nichts Spannenderes gibt, als Teil dieser Bewegung zu sein und die Welt am Puls der Zeit zu verändern. Wir brauchen mehr weibliche Vorbilder, die Anreiz für andere Frauen und Mädchen schaffen, den Schritt in die Tech und die IT-Branche zu gehen.
[1] Vgl. McKinsey, Study: Delivering through diversity, 2018
[2] Vgl. Criado-Perez, C., Unsichtbare Frauen: Wie eine von Daten beherrschte Welt die Hälfte der Bevölkerung ignoriert, 2020
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2 Kommentare
Ich möchte gerne auf den Studiengang „Informatik und Wirtschaft“ an der HTW aufmerksam machen, vgl https://fiw.htw-berlin.de/
Es ist ein Bacherlor-Studiengang nur für Frauen. Wir möchten damit insbesondere Quereinsteigerinnen für die IT gewinnen. (Ein Studium in Teilzeit wird unterstützt.)
Mittlerweile sind wir so „modern“, dass es geschlechtergetrennte Studiengänge an Universitäten gibt. Im Rückwärtsgang volle Fahrt Voraus!